Adam Smith und das Mitgefühl

01.09.2024

Adam Smith war mit seinen Ausführungen zum Mitgefühl seiner Zeit voraus. Heutige Forschung bestätigt, dass das Mitgefühl zur menschlichen Natur gehört und daher bei allen Entscheidungen mitgedacht werden muss. Der Mensch ist ein soziales Wesen.

Hier die Übersetzung der ersten Absätze der „Theory of Moral Sentiments and Essays on Philosophical Subjects“ (PART I.—: Of the Propriety of Action. SEC. I.—: Of the Sense of Propriety. CHAP. I.—: Of Sympathy) von Adam Smith (mithilfe von DeepL):

Wie selbstsüchtig der Mensch auch sein mag, so gibt es doch offensichtlich einige Prinzipien in seiner Natur, die ihn für das Glück anderer interessieren und ihr Glück für ihn notwendig machen, obwohl er nichts davon hat, außer der Freude, es zu sehen. Von dieser Art ist das Mitleid, das Gefühl, das wir für das Elend anderer empfinden, wenn wir es entweder sehen oder es uns auf sehr lebendige Weise vor Augen geführt wird. Dass wir oft Mitleid mit dem Leid anderer haben, ist eine Tatsache, die zu offensichtlich ist, um sie durch Beispiele zu beweisen; denn dieses Gefühl ist, wie alle anderen ursprünglichen Leidenschaften der menschlichen Natur, keineswegs auf die Tugendhaften und Humanen beschränkt, auch wenn sie es vielleicht mit der feinsten Sensibilität empfinden. Auch der größte Rüpel, der härteste Übertreter der gesellschaftlichen Gesetze ist nicht ganz frei davon.

Da wir keine unmittelbare Erfahrung davon haben, was andere Menschen fühlen, können wir uns keine Vorstellung von der Art und Weise machen, wie sie betroffen sind, außer durch die Vorstellung, was wir selbst in einer ähnlichen Situation fühlen würden. Auch wenn unser Bruder auf der Folterbank sitzt, werden unsere Sinne uns niemals mitteilen, was er leidet, solange wir uns selbst wohlfühlen. Sie haben uns nie über unsere eigene Person hinausgeführt und können es auch nie, und nur durch die Einbildungskraft können wir uns eine Vorstellung von seinen Empfindungen machen. Dieses Vermögen kann uns auch nicht auf andere Weise helfen, als indem es uns das vorstellt, was unser eigenes wäre, wenn wir in seiner Lage wären. Es sind nur die Eindrücke unserer eigenen Sinne, nicht die seiner Sinne, die unsere Vorstellungskraft nachahmt. Durch die Einbildung versetzen wir uns in seine Lage, wir stellen uns vor, alle dieselben Qualen zu erleiden, wir treten gleichsam in seinen Körper ein und werden in gewissem Maße dieselbe Person mit ihm, und von da aus machen wir uns eine Vorstellung von seinen Empfindungen und fühlen sogar etwas, das ihnen, wenn auch in schwächerem Maße, nicht ganz unähnlich ist. Seine Qualen, wenn sie uns auf diese Weise nahegebracht werden, wenn wir sie uns zu eigen gemacht haben, fangen endlich an, uns zu berühren, und wir zittern und schaudern dann bei dem Gedanken an das, was er fühlt. Denn wie das Erleiden von Schmerzen und Leiden jeglicher Art den größten Kummer hervorruft, so erregt auch die Vorstellung oder Einbildung, dass wir uns darin befinden, einen gewissen Grad desselben Gefühls, je nach der Lebhaftigkeit oder Dumpfheit der Vorstellung.

Die heutige Wissenschaft bestätigt diese Ausführungen von Adam Smith. Im Zentrum stehen dabei die Spiegelneuronen. Das Ärzteblatt schreibt zu dem Thema:

„In den vergangenen Jahren haben sich Experten, denen es um die Frage ging, was gute Führungskräfte kennzeichnet, mit Gehirnforschern verbündet, um gemeinsam herauszufinden, was im Gehirn biochemisch abläuft, wenn Menschen mit anderen interagieren. Ein Ergebnis: Es sind die Spiegelneurone, die dafür verantwortlich sind, dass im Gehirn eines Menschen, der einen anderen bei einer Tätigkeit beobachtet, die gleichen Zellen aktiv sind, wie bei dem, der eigentlich aktiv ist. Wer Tänzer auf einer Bühne beobachtet, aktiviert demnach die gleichen Gehirnbereiche wie der Tänzer selbst. Spiegelneurone spiegeln Geschehenes wider, überführen es aber nicht in die entsprechende Handlung. Es scheinen subbewusste Körperprozesse der kognitiven Kontrolle entzogen. Spiegelneurone reagieren dabei nur, wenn die beobachtete Handlung im eigenen Repertoire bereits vorhanden ist, und greifen auf den Erfahrungsschatz zurück.“

Wir sind also soziale Wesen, bei denen das Mitgefühl „hardwired“ ist – es gehört also zur menschlichen Natur. Das bedeutet auch, dass eine Erklärung menschlichen Zusammenlebens ebenso wie eine Erklärung des Wirtschaftens von einem einem Menschen ausgehen sollte, der mit anderen Menschen (sozial) interagiert. Adam Smith sagt das, die heutige Hirnforschung sagt das – die heutigen Lehrbücher im Bereich der Betriebswirtschaftslehre und der Volkswirtschaftslehre sollten es auch sagen.