Argumente gegen die Schuldenbremse im Wirtschaftsdienst
In der Januar-Ausgabe des Wirtschaftsdiensts habe ich meine Argumente dargelegt, warum ich eine Abschaffung der Schuldenbremse für die beste Lösung halte. Hier die Kurzversion:
Dies sind die beiden wichtigsten Absätze des Artikels:
Die vorgebrachte Begründung, es ginge um die "langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern", kann nicht überzeugen. Die Zahlungsfähigkeit der Bundesregierung hängt letztlich einzig und allein davon ab, ob die EZB deutsche Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt ankauft oder nicht (Ehnts, 2023, Kap. 5). Seit 2012 garantiert die EZB einen solchen Ankauf implizit (Draghis "whatever it takes"). Somit kann selbst in einer großen Krise mit Lockdowns und höheren Staatsausgaben der Bundesregierung – von Deutschland oder auch Griechenland – das Geld nicht ausgehen. Dies war die wirtschaftspolitische Lektion der Pandemie. Das Resultat war hervorragend: Die Beschäftigung wurde erst stabilisiert und stieg dann weiter, das BIP im Jahr 2021 lag schon über dem des Vorkrisenjahres 2019.
Auch auf europäischer Ebene wurden die fiskalpolitischen Daumenschrauben gelockert. Die Ausstiegsklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurde aktiviert, womit die Defizitgrenzen entfielen. So konnten die Regierungen der Eurozone ihre Ausgaben erhöhen, um gesellschaftliche Probleme anzugehen, die mit der Pandemie zusammenhingen (Ehnts und Paetz, 2021). Die EZB unterstützte sie dabei mit Ankaufprogrammen, die bei jeder Höhe der Staatsverschuldung eine Zahlungsfähigkeit sicherstellten. Das Ergebnis: Eine wirtschaftspolitisch gelungene Überwindung der Krise. Die Arbeitslosenrate in der Eurozone sank auf ein Rekordniveau. Alles in allem stellten die Jahre 2020 und 2021 unter Beweis, wozu nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik in Deutschland und der Eurozone fähig ist, wenn man sie von der "Defizit-Leine" lässt.
Die Argumente der Gegenseite, u.a. dass die „Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung“ wesentlich von Zinsen, Wachstumsraten und der Staatsschuldenquote abhängen würde, können mich nicht überzeugen. Im Zeitgespräch des Wirtschaftsdienst finden sich noch andere lesenswerte Artikel, auch von Postkeynesianern (Heine und Herr):
Gestiegene finanzpolitische Unsicherheit – zur Finanzpolitik des Bundes nach dem Urteil zum zweiten Nachtragshaushalt 2021
Thiess Büttner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Ein gesamtstaatlicher "Transformations- und Infrastrukturfonds" zur Stabilisierung der Schuldenbremse
Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft
Das Klima und eine marode Infrastruktur richten sich nicht nach der Schuldenbremse
Michael Heine, HTW Berlin
Hansjörg Herr, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR)Quo vadis, Schuldenbremse? Über Sinn und Unsinn detaillierter Defizit- und Schuldenregelungen im Grundgesetz
Dirk Ehnts, Steinbeis-Next Hochschule; Torrens University in Australien
Finanzierung von Staatsaufgaben: nachhaltige Finanzpolitik und Schuldenbremse
Rudi Kurz, BUND AK Wirtschaft und Finanzen