Aufstand der Affen

19.06.2024

Steigende Ungleichheit hat Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ein Experiment mit Äffchen zeigt, dass es Kipppunkte gibt, nach denen die Äffchen nicht mehr kooperieren. Diese Einsicht lässt sich wohl auch auf uns Trockennasenprimaten übertragen. Ungleichheit reduziert die Kooperation, die Gesellschaft löst sich auf.

In der NY Times erschien gestern ein Meinungsartikel mit einer Buchbesprechung unter dem Titel „How Capitalism Went Off the Rails“. Der Autor vertritt die seltsame These, dass Nullzinsen Schuld wären an den wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Dies überzeugt nicht, denn bei den aktuell hohen Zinsen betragen die Zinszahlungen der Bundesregierung der USA eine Billion $. Das sind 1.000 Mrd. $ für die Halter der Staatsanleihen, eine unglaubliche Subvention für Leute, die viel Geld haben. Kein Wunder, dass die Immobilienpreise in den USA dadurch weiter anziehen, denn irgendwie will das Geld ja angelegt werden. Der Artikel ist nicht weiter erwähnenswert, aber eine verlinkte Studie ist es doch. Edelman befragte im Jahr 2020 Menschen zu ihrer Meinung zum Kapitalismus und das ist das Ergebnis (übersetzt mithilfe von DeepL):

„Seit Edelman vor 20 Jahren mit der Messung des Vertrauens begonnen hat, wurde es durch das Wirtschaftswachstum angekurbelt. In Asien und im Nahen Osten ist dies nach wie vor der Fall, nicht aber in den Industrieländern, wo die Einkommensungleichheit inzwischen der wichtigere Faktor ist. Eine Mehrheit der Befragten in allen entwickelten Märkten glaubt nicht, dass es ihnen in fünf Jahren besser gehen wird, und mehr als die Hälfte der Befragten weltweit ist der Meinung, dass der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form der Welt mehr schadet als nützt.

Das Ergebnis ist eine Welt mit zwei unterschiedlichen Vertrauensrealitäten. Die informierte Öffentlichkeit - wohlhabender, gebildeter und häufiger Nachrichtenkonsument - hat nach wie vor weitaus mehr Vertrauen in alle Institutionen als die breite Bevölkerung. In der Mehrheit der Märkte vertraut weniger als die Hälfte der Bevölkerung ihren Institutionen, dass sie das Richtige tun. In acht Märkten ist die Kluft zwischen den beiden Zielgruppen so groß wie nie zuvor - ein alarmierendes Vertrauensgefälle.“

Dies wiederum passt zu den Experimenten von Frans De Waal. Er fand heraus, dass Äffchen die Kooperation verweigern, wenn sie bei einem Experiment für die gleiche Aufgabe ungleich bezahlt werden (siehe Video oben). In einem sehr guten Buch ordnet de Waal diese Experimente in den größeren Kontext ein. Seit seinen Versuchen, bei denen keine Äffchen zu Schaden kamen, wurden die Resultate für weitere Tiere bestätigt. Dies bedeutet, dass wir davon ausgehen können, auch selbst einen „Sinn für soziale Gerechtigkeit“ zu haben. Wenn das so ist, dann klafft in der Volkswirtschaftslehre eine riesengroße Lücke, denn der homo oeconomicus, das rationale Inviduum, kennt keine sozialen Beziehungen. Der homo oeconomicus würde immer Geld annehmen für eine Tätigkeit, die quasi keine Mühe macht. Es wäre egal, wie hoch der Betrag wäre – mehr Geld ist besser als kein Geld. 

Die Versuche von Frans de Waal und anderen zeigen, dass dieses Menschenbild gefährlich verkürzt ist. Menschen leben in sozialen Netzwerken, und das hat Folgen. Fühlen sich einige Mitglieder einer Gruppe ungerecht behandelt, so stellen sie die Kooperation ein. Sie machen nicht mehr mit, obwohl dass für sie und die Gruppe einen Schaden bedeutet. „Soziale Gerechtigkeit“ scheint aber als Prinzip höher zu hängen als das „Selbstinteresse“ von Adam Smith. Das passt übrigens zu Samuel Pufendorf, dem Rechtsphilosophen aus dem 17. Jahrhundert. Er stellte die „Geselligkeit“ als Motif neben das „Selbstinteresse“. So wäre die menschliche Natur viel besser zu erklären. Da Adam Smith die Bücher von Pufendorf in seinem Büro stehen hatte, würde ich wetten, dass auch in der „Theory of Moral Sentiments“ die Rede von menschlichen Verbindungen ist.