Das Grundgesetz und die Rolle des staatlichen Geldes
Letzte Woche wurde das Grundgesetz 75 Jahre alt. Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Pflichten sind dort festgehalten. Damit das Ganze in der Gesellschaft einen Unterschied macht, und nicht nur auf dem Papier steht, muss der Staat (sein) Geld ausgeben.
Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Damit sie ihre Wirkung entfalten kann, muss der Staat Ressourcen an sich ziehen. Kann er das nicht, handelt es sich beim Grundgesetz nur um „nette Ideen“, die aber mit der Realität nicht viel zu tun hätten – wenn da nicht der Staat sein eigenes Geld hätte.
Im zentralen Artikel 20, Absatz 1 steht geschrieben:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
Das lässt sich nur umsetzten, wenn der Staat irgendwie an Ressourcen kommt, damit er Demokratie und Soziales zum Schwingen bringen kann. Aus diesem sehr guten Grund hat der Staat seine eigene Währung. Zur Gründung war das die Deutsche Mark, heute ist das der Euro, den sich Deutschland als gemeinsame Währung mit 19 anderen Ländern teilt.
Mit dem Geld kann der Staat einkaufen. Die Bundesregierung spielt dabei eine Sonderrolle, denn ihre Ausgaben werden durch die Deutsche Bundesbank mit Geldschöpfung bezahlt, immer im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen und mit der klaren Vorgabe, dass die gleiche Menge an Geld „vernichtet“ werden muss durch Steuerzahlungen und Erlöse von Staatsanleihenverkäufen – eine (direkte) Staatsfinanzierung ist der Bundesbank nämlich verboten.
Nichtsdestotrotz bedeutet das aktuelle Arrangement, dass die Bundesregierung in ihren Ausgaben nicht beschränkt ist. (Defizitgrenzen der EU und Schuldenbremse können bei politischem Willen umgangen werden, wie die Sondervermögen aus 2022 in Höhe von 300 Mrd. € zeigten.) Zum Grundgesetz gehört also das Bekenntnis zur eigenen staatlichen Währung dazu, denn für Demokratie und Soziales braucht die Bundesregierung Ressourcen: soziale Einrichtungen mit Immobilien und Personal, dazu öffentliche Verwaltung für Soziales und auch für die Durchführung von Wahlen, eine Gerichtsbarkeit und dazu natürlich die Möglichkeit, Geld an Bedürftige auszuzahlen (z.B. Kindergeld, Rente, Hartz IV).
Wer sich also bekennt zum Grundgesetz, der sollte sich auch zur staatlichen Währung bekennen, denn nur durch deren Nutzung kann der Staat aus dem Grundgesetz auf die Realität wirken. Wenn der Staat das nicht macht, dann kommen Schlagzeilen heraus wie die, die unten folgen. Ein Staat, der es ablehnt, durch die Ausgaben von Geld das Grundgesetz und damit die Rechte von den Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, begibt sich in unserer Demokratie auf sehr dünnes Eis. Wer sich zum Grundgesetz und zur Demokratie bekennt, der sollte sich auch dazu bekennen, dass die Bundesregierung keine schwäbische Hausfrau ist, sondern über Geldschöpfung ihre Ausgaben jederzeit bezahlen kann. Begrenzt sind die Ressourcen, die verfügbar sind, und die Kosten der Staatsausgaben bestehen darin, dass die Ressourcen nicht mehr für die Verwendung im privaten Sektor zur Verfügung stehen.
Der aus Basis des Grundgesetzes aufgebaute Wohlfahrtsstaat wurde in der Nachkriegszeit ausgebaut, bezahlt mit staatlichem Geld und auf der Basis von Arbeit. Weder Schuldenbremsen noch Defizitgrenzen standen dem im Weg. Die heutige Konstellation hingegen sieht nach Abbau des Sozialstaates aus und damit nach einer Abkehr vom Grundgesetz. Wo das Grundgesetz Rechte definiert und Soziales fordert, wird heute politisches Handeln verweigert mit dem Hinweis, es wäre „kein Geld“ da. Wer vom Grundgesetz redet, sollte vom Geld nicht schweigen.