Der Wissenschaftliche Dienst schreibt über MMT

06.04.2023

Am 27. Januar hat der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Deutschen Bundestags einen Sachstand zum Thema Modern Monetary Theory (MMT) veröffentlicht. Das kurze Papier eignet sich nur bedingt als „EInführung” in die MMT. MMT-basierte Politik wird bereits gemacht. Ein kurzer Kommentar.

Die 10 Seiten zur MMT sind im Internet frei verfügbar. Die Studie beginnt mit der Nennung von Vertretern der MMT, vergisst dabei aber Warren Mosler, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Immerhin werden das Lehrbuch von Mitchell/Watts/Wray und der NYT-Bestseller von Stephanie Kelton genannt. Als bekanntester Vertreter der MMT werde ich dann in meiner Funktion als Vorstandssprecher der Pufendorf-Gesellschaft genannt – allerdings wird mein Buch zur MMT nicht genannt. Dabei ist es sogar in der Bibliothek des Deutschen Bundestags verfügbar. Auch meine kleine MMT-Einführung, die im Februar 2022 bei Springer erschien, wird nicht genannt.

Der Text des WD beschreibt MMT dann als Verbindung verschiedener theoretischer Elemente, was definitiv nicht richtig ist. MMT wurde von Warren Mosler entwickelt, der weder Knapp noch Lerner oder Keynes gelesen hatte. Eine Antwort auf die Frage „Was ist MMT?“ sollte nicht damit beginnen, welche Elemente bereits vorher bekannt waren und quasi neu erfunden wurden. Immerhin geht es im Text dann besser weiter: 

Im Mittelpunkt der Analyse stellt die MMT die Fiskalpolitik eines souveränen Staates, der seine eigene Währung bereitstellt. Die makroökonomische Analyse des Wirtschaftskreislaufes erfolgt dabei anhand von Bilanzen der verschiedenen Wirtschaftssektoren. Bilanzen seien eine Beschreibung der Realität, von daher sei die MMT als falsifizierbare empirische Geldtheorie anzusehen.

Angemerkt sei, dass auch nicht-souveräne Staaten von MMT analysiert werden, auch solche, die keine eigene Währung haben (Bosnien-Herzegovina bspw. nutzt den Euro). Bilanzen sind tatsächlich die Methode der MMT, allerdings nicht nur die von „verschiedenen Wirtschaftssektoren” (gemeint ist privat, öffentlich, Ausland), sondern auch von Banken, Zentralbanken, Finanzministerien usw. Ein Blick in mein Buch hätte gereicht, um das feststellen zu können. Gut hingegen ist die Feststellung, dass MMT falsifizierbar sei. Das stimmt und ist ein Gegensatz zu anderen Theorie, die auf Annahmen beruhen, die in Stein gemeißelt sind. Daher lassen sich diese Theorien nicht widerlegen.

Die nächsten Absätze sind qualitativ gut, unter anderem dieser Satz:

Namentlich tätigt ein Staat seine Ausgaben, indem er seine Zentralbank anweist, das Zentralbankkonto derjenigen Banken oder staatlichen Institutionen, die Geld erhalten, zu kreditieren.

Bisher bleibt dies bei aller Kritik an MMT unwidersprochen. Damit muss angenommen werden, dass diese Sicht korrekt ist. Weder Steuereinnahmen noch Einnahmen durch den Verkauf von Staatsanleihen „finanzieren” den Staat. Geldschöpfung „finanziert” alle Ausgaben der Bundesregierung. Das wird auch von den Autoren des Sachstands so gesehen:

Die deskriptive Darstellung des realen Geldkreislaufs durch die MMT und die daraus abgeleite- ten Aussagen wie zum Beispiel, dass Geld "aus dem Nichts" entsteht, wird in der akademischen Welt und von den Zentralbanken weitgehend geteilt.

Insofern stimmt die Aussage nicht, die MMT wäre „umstritten”. Das bedeutet nicht, dass es keine Kritik an der MMT gibt oder an den Politikempfehlungen auf Basis der MMT – diese werden im Rest des Papiers abgehandelt. Auf die Kritik gehe ich im einzelnen hier nicht ein, dass ist an anderer Stelle schon mehrfach diskutiert worden (u.a. in dem Papier in Intereconomics, welches im Sachstand angegeben wurde).

Der letzte Absatz lautet dann:

Auch bei diesen von den MMT-Vertretern vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erhöhung der monetären Souveränität sei unklar, ob nicht die privaten Haushalte und Unternehmen Mechanismen zur Umgehung der Restriktionen suchen und damit die Maßnahmen ins Leere laufen. Außerdem besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie als Wähler der Regierung bei den nächsten Wahlen nicht folgen werden.

Maßnahmen zur Erhöhung der monetären Souveränität? Es wäre schön gewesen, wenn die Autoren hier offengelegt hätten, was gemeint ist. Die EZB beispielsweise hat mit ihren Ankaufprogrammen für Staatsanleihen die monetäre Souveränität der nationalen Regierungen erhöht, ebenso die EU-Kommission mit dem Aussetzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes mit den Defizitgrenzen. Nur so konnten die nationalen Regierungen in der Pandemie das benötigte Geld ausgegeben, nur so konnte die Bundesregierung die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen ermöglichen, Kurzarbeitergeld zahlen, das 9-Euro-Ticket einführen und den Tankrabatt, usw. usf. Haben die Wähler bei den letzten Wahlen CDU/CSU und SPD für diese „Erhöhung der monetären Souveränität“ abgestraft? Sicherlich nicht.

Ganz im Gegenteil: Eine Rückkehr zur Austeritätspolitik und zu den Kürzungen der Staatsausgaben beim vergeblichen Versuch, das staatliche Defizit zu reduzieren, hätte – wie in der Eurokrise 2010-2014 – zu Massenarbeitslosigkeit und einem Zusammenbruch der Wirtschaft geführt. Dies hätten die Wähler an den Urnen mit wütenden Proteststimmen vergolten, was aber nicht passiert ist. Wirtschaftspolitische Maßnahmen auf Grundlage der MMT wurden also schon prominent eingesetzt und haben uns „gerettet”. Es mag nur kaum jemand offen zugeben.

Oder wie war das nochmal mit den Sondervermögen Gaspreisdeckel (200 Mrd. €) und Bundeswehr (100 Mrd. €)?