Reform der Eurozone oder Dexit?
Die AfD ist mit ihrer Forderung nach einer Volksabstimmung über einen Austritt aus der EU vorgeprescht. In meinem Buch „Geld und Kredit: Eine €-päische Perspektive“ habe ich seit zehn Jahren und vier Auflagen Vorschläge präsentiert, wie sich die Eurozone reformieren ließe.
Die Eurozone ist aus der Idee entstanden, dass eine gemeinsame Währung die Integration in Europe verstärken könnte und so den Frieden sichern kann. Eingeführt wurde sie als Zugeständnis an die Franzosen im Rahmen der Deutschen Wiedervereinigung. Da in den 1990er Jahren der Markt als effizient beurteilt wurde und Regierungen als ineffizient, wurde der Euro in einer Zeit aufgebaut, die politisch extreme Schlagseite hatte. Während Märkten so gut wie alles zugetraut wurde, wurden Regierungen für Institutionen gehalten, die das Geld anderer Leute herausschmeißen würden. Diese stark ideologisch geprägte Sicht war typisch für das 20. Jahrhundert. Es standen sich zwei Gruppen gegenüber, von der eine alle wirtschaftliche Aktivität bis auf ein absolutes Minimum dem Markt – sprich: den Unternehmen – zuschieben wollte. Diese neoliberale Gruppe prägte die deutsche Politik seit 1998 die rot-grüne Bundesregierung die Agenda 2010 durchsetzte. Ein Vierteljahrhundert später sehen wir die Probleme, die das für den Großteil der Bevölkerung erzeugt hat, sehr deutlich. Die Finanzkrise von 2008/09 war ein erstes deutliches Zeichen, dass Märkte vielleicht effizient sind, ihre Ergebnisse aber nicht das Gemeinwohl erhöhen. Bauruinen in Spanien zeugen noch heute von der Allokationsintelligenz der Finanzmärkte bzw. deren Mangel daran.
Auch die Institutionen der Eurozone waren neoliberal geprägt. Es gab Defizitgrenzen für nationale Regierungen, später dann auch noch den Fiskalpakt und nationale Schuldenbremsen. Dazu sollte allein die EZB die Inflation bekämpfen, indem sie den Zins veränderte. Gegen die Energiepreiskrise war sie machtlos, ihre jüngsten Zinserhöhungen waren kontraproduktiv, da sie u.a. die Immobilienpreise unter Druck setzten, die sich bereits bedingt durch die Kürzungspolitik der Bundesregierung 2023 unter Druck befanden. Die Ausrichtung der Staatsausgaben an fiskalischen Defizitzielen statt an gesellschaftlichen Zielen hat zu jahrzehntelanger Massenarbeitslosigkeit in der Eurozone geführt, von der Italien und Griechenland am schlimmsten betroffen waren und sind. Zudem wurden öffentliche Investitionen fast auf Null zurückgefahren, erst seit Ende der Austeritätspolitik wachsen sie wieder. Diese wirtschaftspolitische Katastrophe hatte die Finanzkrise von 2008/09 in die Eurokrise 2010-2014 überführt, basierend auf sehr dünner wissenschaftlicher Faktenlage („expansionary austerity“).
In meinem Buch „Geld und Kredit: Eine €-päische Analyse“ habe ich über zehn Jahre und vier Auflagen immer wieder die Entwicklung der Eurozone begleitet und Vorschläge für Reformen unterbreitet. Keine Währungszone wird so geboren, wie sie dann über die Jahrzehnte später aussieht. Das gilt auch für Europa. Der kürzlich verstorbene ehemalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schlug bspw. einst vor, dass Griechenland die Eurozone für ein paar Jahre verlassen möge, um nach sinnvollen Reformen dann später wieder beizutreten (S. 230). Zuletzt stellte ich in der 4. Auflage von September 2020 die wirtschaftspolitische Reaktion auf die Pandemie, die Anlass zur Hoffnung gab: Die Defizitgrenzen wurden außer Kraft gesetzt und die EZB startete ein sehr großes Ankaufprogramm im Wesentlichen für Staatsanleihen.
Für die Zukunft diskutierte ich die Auswirkungen der Einführung eines Euro Treasury (Kap. 11, S. 237) und eines Green New Deal (S. 244). Wer sich mit der Geschichte der Eurozone und den zukünftigen Weichenstellungen vertraut machen möchte, findet in meinem Buch eine solche Analyse mit sehr viel Details in Bezug auf die Geldschöpfung. So konnten wir über die Jahre die TARGET2-Diskussionen hinter uns lassen, denn ein Blick in die Bilanzen der nationalen Zentralbanken offenbarte uns, dass es sich bei den Einträgen TARGET2-Forderungen und -Verbindlichkeiten nicht um solche handelte, denn es gab kein Fälligkeitsdatum. Auch die makroökonomischen Ungleichgewichte sehen wir heute anders als damals, Während Hans-Werner Sinn den Fluss deutscher Ersparnisse nach Spanien für den dortigen Immobilienboom mitverantwortlich machte, ist heute die Geldschöpfung der spanischen Banken ganz ohne deutsche Mithilfe als Ursache identifiziert.
Die Eurozone funktioniert heute also ganz anders als noch zu Beginn, und mein Buch deutet an, in welchen Bereichen noch Verbesserungen angestrebt werden sollten, um die Währung zu einem Erfolg zu machen.