Die Aufstellung eines (Bundes) Haushalts aus Sicht der Modern Monetary Theory
Die Bundesregierung wird ihren Bundeshaushalt für das Jahr 2025 nicht bis Anfang Juli 2025 aufgestellt haben, es wird also etwas später werden. Die Zeit kann sinnvoll genutzt werden für einen Blick auf die Frage, wie denn die MMT die Aufstellung eines Bundeshaushalts sieht.
In einem Kapitel im Jahrbuch für öffentliche Finanzen 1-2022 hatte ich beschrieben, wie die Bundesregierung bei der Aufstellung des Bundeshaushalts vorgehen könnte. Da die Steuereinnahmen nicht die Staatsausgaben begrenzen, sollte die Bundesregierung mit ihren Ausgaben das Gemeinwohl als Ziel nehmen und die Aufgaben erfüllen, die der private Sektor nicht erfüllen kann oder will. Im folgenden stelle ich die entscheidenden Absätze zu den jeweiligen makroökonomischen Zielen vor:
1. Preisstabilität
„Ein Ziel bei der Erstellung des Bundeshaushalts sollte also sein, die Zielinflationsrate der Eurozone in Deutschland zu erreichen. Diese liegt aktuell bei zwei Prozent. Der Staat setzt in der Eurozone etwa zehn Prozent der Preise selbst und kann schon mal dafür sorgen, dass diese jedes Jahr um zwei Prozent steigen. Daneben zahlt der Staat die Löhne der staatlichen Beschäftigten. Diese sollten um mehr als zwei Prozent pro Jahr steigen, da das positive Produktivitätswachstum normalerweise dazu führt, dass jedes Jahr mehr produziert wird. Die Löhne müssen also ausreichen, um mehr als die Produktion des letzten Jahres zu den neuen Preisen kaufen zu können.“
In Anbetracht der Reallohnverluste der Arbeitnehmer wäre es angebracht, die Löhne deutlich stärker als zwei Prozent ansteigen zu lassen. Die Produzentenpreise sind immer noch rückläufig, die Produktionsauslastung der Industrie so niedrig wie seit 30 Jahren nicht. Es ist daher aktuell möglich, die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung zu erhöhen bei gleichzeitig stabilen Preisen. Diese Chance sollte sich die Bundesregierung nicht entgehen lassen, denn die Alternative wären weitere Stagnation und Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig niedrigeren Gewinnen der Unternehmen.
2. Vollbeschäftigung
„Neben der Preisstabilität ist die Vollbeschäftigung ein traditionelles Ziel der Wirtschaftspolitik. Die Bundesregierung sollte bei der Aufstellung ihres Haushalts ein Auge darauf haben, wie hoch die (unfreiwillige) Arbeitslosigkeit ist. Arbeit kann nicht gespart werden, denn wer ein Jahr lang arbeitssuchend ist, der kann nicht im folgenden Jahr doppelt solange arbeiten. Die Opportunitätskosten von Arbeitssuchenden sind nahe bei null. Es lohnt sich also, die Ausgaben so zu gestalten, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen soweit ansteigt, dass Vollbeschäftigung in Reichweite kommt. Sollten aber ökologische Gründe gegen mehr Produktion sprechen, kann die Bundesregierung mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung dafür sorgen, dass weniger Arbeit gerecht verteilt wird.“
Es gibt in Deutschland fast 3 Millionen Arbeitslose und eine „stille Reserve“ in etwa gleicher Höhe. Die Staatsausgaben sollten also steigen. Die Defizite in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur, Schulen und Universitäten, Technologie, Gesundheit und Rente sind offensichtlich. Es sollte also kein Problem sein, sinnvolle Verwendung für das zusätzliche Geld zu finden, welches die Bundesregierung ausgeben könnte. Gegebenenfalls könnte eine Art Green New Deal als Rahmen herhalten, ähnlich wie beim Inflation Reduction Act der US-Regierung.
3. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
„Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht kann ebenfalls bei der Aufstellung des Haushalts der Bundesregierung Berücksichtigung finden. Da der Staat eine gewichtige Rolle bei der Preissetzung spielt und gerade in der Eurozone die Lohnstückkosten eine sehr wichtige Größe sind für das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, spricht nichts dagegen, wenn die Bundesregierung die Lohnerhöhungen über einen Zeitraum von ein paar Jahren deutlich oberhalb der Zielinflationsrate ansetzt, um die Handelsbilanzen wieder in Richtung Ausgleich zu führen. Dabei kann sie auch direkt Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland kaufen.“
Ein weiteres Argument für höhere Löhne ist die Importschwäche, begründet in den zu geringen Einkommen in Deutschland. Bei höheren Löhnen müssten wir den Gürtel nicht mehr enger schnallen und könnten mehr von dem konsumieren, was wir produzieren. (Aktuell liegt unser Konsum unter der Produktion, was aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll ist.)
4. Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
„Das Ziel eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums ist ökologisch zu interpretieren. Hier sollte die Bundesregierung beachten, dass sie mit ihren Ausgaben nicht dazu beiträgt, die planetaren Grenzen dauerhaft zu überschreiten. Die Nachhaltigkeitsziele der UN sind Leitlinien für die staatlichen Ausgaben, ebenso wie das Pariser Klimaschutzabkommen. Über Input/Output-Rechnungen können Szenarien erarbeitet werden, wie die Zukunft aussehen sollte.“
Hier liegt noch sehr viel Potential für die Bundesregierung. Die Klimaziele werden wohl verfehlt nach aktuellen Plänen, also warum nicht Geld ausgeben und die Transformation vorantreiben? Grün ist das allemal, sozial gerecht auch und wenn die FDP ständig meint, man könne mit Technologie den Klimawandel aufhalten, dann sollte sie froh sein, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen.
Kompliziert werden könnte der Bundeshaushalt 2025 durch die in Deutschland und Europa herrschenden Fiskalregeln. Diese sind kurzfristig vielleicht schwierig zu umgehen, aber die Sondervermögen von 2022 hatten gezeigt, dass höhere Staatsausgaben auch in unserem Land jederzeit möglich sind bei politischem Willen und demokratischer Zweidrittelmehrheit. Mein Kapitel endet mit folgendem Absatz:
„Die in diesem Kapitel skizzierten Ideen über die Aufstellung eines Bundeshaushalts gelten unabhängig von Schuldenbremsen und Fiskalregeln. Wenn diese beachtet werden müssen, dann müssen die Staatsausgaben, Steuern und die Emission von Staatsanleihen entsprechend angepasst werden. Allerdings wäre es sinnvoll, in Anbetracht der obigen Ausführungen die aktuellen gesetzlichen Regelungen zu überdenken. Dies gilt insbesondere für die kommende sozial-ökologische Transformation. Es wäre unverzeihlich, wenn wir den zukünftigen Generationen einen ruinierten Planeten hinterlassen mit dem Hinweis darauf, dass die Staatsverschuldung aber nur 55 Prozent des BIP betragen würde.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.