Die Herausforderung des Klimawandels und fiskalische Instrumente und Politikmaßnahmen in der EU (EZB)
Die EZB hat in ihrer Reihe von Arbeitspapieren ein neues Papier veröffentlicht zu Staatsausgaben, Steuern und grünen Investitionen. Während die verteilungspolitische Diskussion Hand und Fuß hat, kann die Diskussion der Staatsausgaben nicht überzeugen. Die Pandemie hat uns gezeigt, was fiskalpolitisch möglich ist.
Das Papier aus der Occasional Paper Series Nr. 315 wurde von einem ganzen Schwung an AutorInnen verfasst, was deutlich macht, wie komplex das Thema ist. Namentlich haben Aris Avgousti, Francesco Caprioli, Giacomo Caracciolo, Marion Cochard, Pietro Dallari, Mar Delgado-Téllez, João Domingues, Marien Ferdinandusse, Daniela Filip, Carolin Nerlich, Doris Prammer, Katja Schmidt und Anastasia Theofilakou das Papier geschrieben. Hier ist die Übersetzung des Extended Abstract (Fett durch mich zur Hervorhebung):
Die Europäische Union (EU) hat sich verpflichtet, bis 2050 (Netto-)Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Dies erfordert zusätzliche Anstrengungen an der politischen Front, von denen viele einen steuerlichen Aspekt haben werden.
Derzeit setzen alle EU-Länder eine Kombination aus Steuereinnahmen und -ausgaben ein, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Auf der Einnahmenseite spielt das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS) eine wichtige Rolle. Auf der Ausgabenseite geht es bei den meisten Maßnahmen um Investitionen in saubere Energiequellen und die Verbesserung der Energieeffizienz.
Die derzeit in den EU-Ländern verfolgte fiskalische Klimapolitik ist nicht ehrgeizig genug, um das Ziel von "Netto-Null-Emissionen" zu erreichen. Erstens klafft eine Preislücke zwischen der derzeitigen Politik und dem Preis, der für eine wesentliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen erforderlich wäre. Zweitens liegen die grünen Investitionen unter dem Niveau, das zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.
In diesem Papier werden zunächst die direkten und indirekten Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Steuerpolitik analysiert. Ein Kanal, über den sich der Klimawandel auf die Solidität der Finanzen auswirkt, sind seine negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. Dies wird zum Beispiel durch die direkten Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die Wirtschaftstätigkeit und die Haushaltsbilanzen veranschaulicht. Längerfristig kann der Klimawandel die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung über verschiedene Übertragungskanäle beeinflussen, darunter Produktivität, direkte Haushaltskosten und Zinssätze.
Das Papier gibt einen Überblick über die verschiedenen politischen Instrumente, die den EU-Regierungen zur Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stehen, wobei der Schwerpunkt auf Klimaschutzzielen, fiskalischen Instrumenten und anderen ordnungspolitischen Maßnahmen liegt. Insbesondere wird die Umweltsteuerpolitik zur Förderung des Umweltschutzes und einer höheren Energieeffizienz beleuchtet. Art und Umfang der eingesetzten Instrumente sowie ihre Entwicklung im Laufe der Zeit sind von Land zu Land sehr unterschiedlich.
Das Papier befasst sich eingehender mit den Grenzen der derzeitigen Politik im Kampf gegen den Klimawandel und konzentriert sich dabei auf die CO2-Preislücke und die Lücke bei den grünen Investitionen. Trotz der jüngsten Verstärkung der politischen Bemühungen dank der EU-Finanzierung der nächsten Generation (NGEU) reichen die derzeitigen politischen Instrumente möglicherweise immer noch nicht aus, um eine Emissionsreduzierung durch Verhaltensänderungen und höhere Investitionen in grüne Energie und Energieeffizienz zu fördern. Der Zugang zu Finanzmitteln ist ein grundlegender Faktor bei der Förderung grüner Investitionspolitiken, wobei die grüne Finanzierung auf nationaler und europäischer Ebene immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Abschließend werden in dem Papier einige zusätzliche Überlegungen zur Gestaltung der steuerlichen Klimapolitik angestellt. Erstens wird der Notwendigkeit Rechnung getragen, einkommensschwächere Gruppen, die stärker vom Klimawandel und den entsprechenden Klimaschutzmaßnahmen betroffen sind, zu entschädigen. Klimapolitische Maßnahmen wie die Bepreisung von Kohlenstoff sind tendenziell regressiv, während der Klimawandel selbst Haushalte mit geringerem Einkommen und weniger Anpassungsfähigkeit überfordern kann. als Haushalte mit höherem Einkommen. Darüber hinaus werden auch die Auswirkungen einseitiger Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt. Obwohl der Klimawandel ein globales Problem ist, sind die meisten politischen Hebel national und von Land zu Land unterschiedlich. Die Besteuerung von Kohlenstoff kann zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen, wenn sie nicht multilateral auferlegt wird, was die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen entmutigt. Diese Fragen haben die jüngsten Diskussionen auf EU-Ebene über die Einführung eines Mechanismus zur Anpassung der CO2-Grenzen (Carbon Border Adjustment Mechanism - CBAM) sowie über die effiziente Wiederverwendung von CO2-Steuereinnahmen zur Abschwächung der potenziell negativen kurzfristigen Auswirkungen von CO2-Steuern beeinflusst.
Der Zugang zu Finanzmittel, da ist den AutorInnen zuzustimmen, ist ein „grundlegender Faktor bei der Förderung grüner Investitionspolitiken“. Die Autoren schreiben, dass dem Staat die zentrale Rolle zukommt. Bei der Finanzierung der grünen Investitionen schlagen sie „green bonds“ vor. Da auch in der Eurozone die Emission von (grünen) Staatsanleihen nicht dazu führt, dass der Staat sich „finanziert“, verlieren die AutorInnen die auf der Hand liegende Lösung aus den Augen. Die nationalen Regierungen können einfach mehr Geld ausgeben für grüne Investitionen! Politische Regeln wie Schuldenbremsen und der Wachstums- und Stabilitätspakt mit seinen Defizitgrenzen können außer Kraft gesetzt werden mit dem Hinweis auf die außergewöhnliche Notlage der Klimakrise.
Wir haben letztes Jahr gesehen, dass Sondervermögen für Bundeswehr (100 Milliarden Euro) und Gaspreisdeckel (200 Milliarden Euro) jederzeit möglich sind. Auch dafür wurden keine neuen Finanzierungsinstrumente eingesetzt – es gab weder eine Ukraine-Steuer noch Bundeswehr-Wertpapiere. Auch für den Gaspreisdeckel wurden weder die Steuern erhöht noch neue Finanzierungsinstrumente erfunden. Es ist sehr positiv, dass sich die EZB mit der Bekämpfung des Klimawandels auseinandersetzt. Allerdings versucht sie ein Problem zu lösen, welches sich gar nicht stellt. Die Mitgliedsländer der Eurozone haben bereits alles, was sie brauchen, wenn es um die höheren Ausgaben geht. Die Covid19-Pandemie hat gezeigt, dass unsere Regierungen zu jeder Zeit handlungsfähig waren. Entscheidend dafür waren das Ankaufprogramm der EZB (PEPP) und das Aussetzen der Schuldenregeln (Aktivierung der allgemeinen Ausstiegsklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes).
Wir haben nicht mehr die Zeit, uns mit Problemen zu beschäftigen, die schon längst gelöst worden sind. Wenn die Europäische Politik es ernst meint mit der Bekämpfung des Klimawandels, dann können wir einfach das wiederholen, was wir während der Pandemie erfolgreich gemacht haben. Die Resultate waren sehr gut, bis auf die verteilungspolitische Dimension. Immerhin argumentieren die Autoren der EZB in ihrem Papier, dass von oben nach unten umverteilt werden soll, weil die einkommensschwachen Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben.