Die sektoralen Salden für Deutschland

29.06.2023

Die sektoralen Salden sind eine statistische Methode, grobe Zusammenhänge der Veränderung der finanzielle Nettoersparnis sichtbar zu machen und so Risiken abschätzen zu können. Während „Staatsschulden” unproblematisch sind, sind private Schulden ein Anzeichen für mögliche Finanzkrisen.

In einem Geldkreislauf wie einer modernen Wirtschaft – in der Geld eine große Rolle spielt und Tauschhandel nicht – müssen zwangsläufig die Ausgaben den Einnahmen entsprechen. Jeder Euro, der von einem Akteur der Wirtschaft ausgegeben wird, muss zu einem Euro an Einnahmen führen. Anders ist es logisch nicht möglich. Das bedeutet auch, dass jeder Einnahmenüberschuss (über die Ausgaben) einem Ausgabenüberschuss anderswo entgegensteht. Wenn wir den Einnahmenüberschuss als (finanzielles Netto-)Sparen bezeichnen, dann wissen wir, dass jedes Sparen mit einem Ausgabenüberschuss zusammenhängt. Bezeichnen wir diesen als Defizit und Anstieg der (finanziellen Netto-)Verschuldung, dann bekommen wir ein realistisches und (relativ) vollständiges Bild von der Wirtschaft.

Unterteilen wir die Wirtschaft in drei Sektoren ergibt sich in der Abbildung oben folgendes Bild. Der erste Sektor umfasst Haushalte und Unternehmen – der private Sektor (blau). Dieser erzielt durchgängig Überschüsse, weil die Einnahmen über den Ausgaben liegen. In den 1990er Jahren war das Spiegelbild dieser Entwicklung das staatliche Defizit (rot). Der Staat gab also mehr Geld aus, als er (später) über Steuern wieder einzog. Durch die Exportstrategie der 2000er Jahre verändert sich das Bild – die staatlichen Defizite verwandelten sich in staatliche Überschüsse, weil der Export brummt und dadurch die Steuereinnahmen zunahmen. Der Rest der Welt (grün) ging ins Defizit, es wurden mehr Güter und Dienstleistungen aus Deutschland in den Rest der Welt exportiert als andersherum.

Die Daten von AMECO (EU) beinhalten auch Schätzungen für die Jahre 2022-2024. Es wird vermutet, dass die staatlichen Ausgaben nach der Krise zurückgefahren werden und dass die Wirtschaft wieder anspringt. Nur so lässt es sich erklären, dass die staatlichen Defizite wieder kleiner werden. Sollten die Staatsausgaben sinken ohne dass die Wirtschaft anspringt, würden die Steuereinnahmen einbrechen – große staatliche Defizite würden resultieren. Die Eurozone balanciert also aktuell auf einer Rasierklinge. Die nationalen Regierungen wollen bzw. sollen die Ausgaben zurückfahren, allerdings soll gleichzeitig die Wirtschaft nicht in die Rezession gehen – was nicht so einfach ist, denn schließlich sind staatliche Ausgaben private Einkommen und erhalten Arbeitsplätze bei privaten Unternehmen.

Was die finanzielle Stabilität anbelangt, sieht es in Deutschland relativ gut aus. Die Überschüsse im privaten Sektor deuten darauf hin, dass eine Finanzkrise hier im Lande nicht zu erwarten ist. Eventuell kommt es zu einem weiteren Preisverfall im Immobilienmarkt, aber im Gegensatz zu den USA oder zu Spanien in den 2000er Jahren hat der private Sektor keine Defizite verbucht. Sollte es dennoch zu einer größeren Krise kommen, kann der Staat mit zusätzlichen staatlichen Ausgaben private Einkommen erzeugen, welche die finanzielle Stabilität erhöhen. Anders als in der letzten Krise sollten die Regierungen die Bürgerinnen und Bürger mit Arbeitsplätzen versorgen, statt eine Immobilienkrise zuzulassen, indem sie die Banken über bail-outs retten und die Bürgerinnen und Bürger nicht. Soweit sind wir allerdings noch lange nicht, aktuell gibt es keine Anzeichen für eine Finanzkrise oder einen Immobiliencrash.

Die sektoralen Salden helfen uns bei der Betrachtung finanzieller Stabilität in einer Gesellschaft. Für Deutschland sieht die Lage ganz gut aus, allerdings verbirgt sich hinter dem Überschuss im privaten Sektor eine Dynamik bei der Verteilung, die durchaus problematisch sein kann. Wenn nur noch einige wenige Sparen und der Rest sich über Immobilienkredite verschuldet, dann könnte doch noch eine ausgewachsene Immobilienkrise zustandekommen. Wie bei anderen Indikatoren auch müssen wir etwas genauer in die Daten schauen, wenn wir uns weitergehende Fragen stellen. Die sektoralen Salden helfen uns dabei, diese Fragen zu identifizieren und zu stellen.