Die Verbuchung von Verlusten aus 2023 bei der EZB

23.02.2024

Die Europäische Zentralbank hat 2023 etwas mehr als 1 Mrd. Euro Verlust gemacht. Diesen hat sie in der Bilanz mit zukünftigen Gewinnen ausgeglichen – die Warnungen einiger Ökonomen, Zentralbankverluste müssten von Steuerzahlern ausgeglichen werden, waren also falsch.

Durch die Ankaufprogramme der EZB ist deren Bilanz immer größer geworden. 2020 gab es durch das inzwischen eingestellte Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) nochmals einen Schub. Die EZB, die zusammen mit den ausführenden nationalen Zentralbanken das Eurosystem bildet, kann einfach Staatsanleihen kaufen, indem man den Kontostand der verkaufenden Bank bzw. der Bank des Verkäufers erhöht. So wissen alle Akteure am Markt, dass es immer eine Nachfrage nach Staatsanleihen geben wird zu einem guten Preise, denn der EZB kann das Geld nicht ausgehen. So agiert die EZB als dealer of last resort, was eine Zahlungsunfähigkeit der nationalen Regierungen verhindert. Seit 2012, als Mario Draghi sagte, er würde „whatever it takes“ unternehmen, um den Euro zu retten, ist das so.

Nichtsdestotrotz gab es aber Ökonomen, die davor warnten, dass Verluste aus dem Bondportfolio der EZB durch den deutschen Steuerzahler ausgeglichen werden müssten. Dies ist gleich doppelt falsch, denn erstens bezahlt die Bundesregierung ihre Ausgaben immer mit wenn auch temporärer Geldschöpfung der Bundesbank, in deren Folge aber die Staatsschulden steigen und nicht die Steuern. Zweitens hat die EZB immer wieder erklärt, sie würde bei Verlusten diese mit zukünftigen Gewinnen ausgleichen. Damit wäre eine Beteiligung der nationalen Regierungen über eine „Rekapitalisierung“ ausgeschlossen. So schreibt die EZB auf ihren Seiten zu Gewinnen und Verlusten:

„Was passiert, wenn das Eurosystem einen Verlust macht?

Wenn wir einen Verlust verzeichnen, können wir versuchen, diesen zu decken, indem wir zunächst auf die Gewinne zurückgreifen, die wir in den Vorjahren erzielt haben. Die EZB und andere Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets haben über mehrere Jahre hinweg beträchtliche Gewinne erzielt - etwa 300 Milliarden Euro zwischen 2012 und 2021.

Diese Gewinne sind größtenteils auf die in diesen Jahren verfolgte Geldpolitik zurückzuführen. Wir haben viele Vermögenswerte aufgekauft, und die Zinsen waren negativ, d. h. die Banken zahlten tatsächlich eine Gebühr dafür, dass sie ihre Einlagen bei uns deponierten.

Als umsichtige Zentralbanken haben wir einen Teil dieser Gewinne zum Aufbau von Finanzpuffern, wie allgemeinen Rückstellungen und Reserven, verwendet. Darüber hinaus entstehen einige Finanzpuffer, wenn wir einen Teil unserer Vermögenswerte regelmäßig neu bewerten. Diese Puffer können nun genutzt werden.

Wenn unsere allgemeine Risikovorsorge bei der EZB nicht ausreichen würde, könnten die nationalen Zentralbanken der Euro-Länder den verbleibenden Verlust mit ihren eigenen Einkünften aus geldpolitischen Geschäften decken. Alternativ könnte der Verlust auf dem Jahreskonto der EZB verbucht werden, um ihn mit künftigen Einkünften zu verrechnen.

Inzwischen hat die EZB diesen Weg beschritten bei der Verbuchung von Verlusten für das Jahr 2023 und schreibt:

„Entsteht der EZB ein Verlust, so kann der Fehlbetrag aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB und, falls erforderlich, nach einem Beschluss des EZB-Rates aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und bis zur Höhe der den NZBen gemäß Artikel 32.5 der ESZB-Satzung zugeteilten Beträge ausgeglichen werden.

Der Verlust der EZB für das Jahr 2023 betrug nach der vollständigen Auflösung der Rückstellung für finanzielle Risiken 1.266 Millionen Euro (2022: Null). Nach einem Beschluss des EZB-Rats wird dieser Verlust in der Bilanz der EZB vorgetragen und mit künftigen Gewinnen verrechnet.“

Letztes Jahr hatte ich in einem Blogbeitrag mit dem Titel „Was passiert bei Verlusten der Zentralbank?“ explizit auf diese Möglichkeit hingewiesen. Auch in meinen Büchern ist vermerkte, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Zentralbank nicht möglich ist und sie anders als andere Banken funktioniert. Andere Ökonomen sahen das teilweise sehr anders. Von ihnen ist leider momentan nichts zu hören. Hier noch mal eine Auswahl von Meinungen, die nun als widerlegt gelten müssen. Interessanterweise sind es übrigens durch die Bank sog. Mainstreamökonomen, also konservative Ökonomen mit neoklassischer Ausbildung, die mit der Behauptung in die Medien gingen, dass Zentralbankverluste von „Steuerzahlern“ aufgefangen werden müssten. Nun sollte endgültig geklärt sein, dass solche Horrorszenarien ausgeschlossen sind.

Holger Zschäpitz und Anja Ettel, DIE WELT, 1. Juni 2017, Mit dieser Summe haftet Deutschland für die EZB-Politik:

„Deutschland haftet für die gemeinsame EZB-Bilanz gemäß dem Kapitalschlüssel von 25,6 Prozent. Allerdings gehen die 1,5 Billionen nicht voll in die Rechnung ein, da sich die Notenbanken darauf geeinigt haben, dass jedes Land für die eigenen Anleihen haftet und lediglich ein Fünftel des gesamten Risikos geteilt wird.“

Zhang Dahong, Deutsche Welle, 7. Juli 2012, EZB lässt Steuerzahler haften:

„Bei zukünftigen Abstimmungen im Bundestag werden die Parlamentarier also auch die EZB im Hinterkopf behalten, dass die Zentralbank parallel handeln könnte und sich das Risiko für Deutschland vergrößern würde. Schließlich trägt die größte Volkswirtschaft in der Eurozone mit 27 Prozent Anteilen an der EZB auch das größte Risiko. Wenn die EZB immer mehr Anleihen anhäuft und die Schuldnerländer sie irgendwann nicht bedienen können, dann müssen die Steuerzahler der Gläubigerländer dafür gerade stehen. Mit anderen Worten: Das Risiko wandert von den Investoren zu den Steuerzahlern.“

Phillip Plickert, FAZ, 15. August 2017, Eine juristische Klatsche für die EZB:

„Die Versicherung, dass aus den Staatsanleihekäufen keine allgemeine Haftungsgemeinschaft resultiere, weil der größte Teil auf den Bilanzen der nationalen Notenbanken bleibe, ist eine Beruhigungspille, die nicht überzeugt. Denn analog zum Kaufprogramm ist der deutsche Target-Saldo extrem gestiegen, auf rund 860 Milliarden Euro. Durch die Hintertür haftet die Bundesbank – letztlich der deutsche Steuerzahler – für eine weitere verdeckte Euro-Rettung. Der Bundestag hat über diese gewaltige Summe noch nicht ein einziges Mal diskutiert.“

Clemens Fuest und Hans-Werner Sinn in einem Artikel von Igor Hirsch, FOCUS, 22. Januar 2019, Steuerzahler haften: Star-Ökonomen Fuest und Sinn fordern Reform des Euros:

„Das Risiko bestehe nicht nur bei einem Austritt eines Landes aus dem Euro, sondern auch bei einer Staatspleite eines Euro-Landes. In diesem Fall wären die Bundesbank, der Bundeshaushalt und damit letztendlich der deutschen Steuerzahler betroffenen!

"Dieses Risiko schlägt auf den Bundeshaushalt durch und unterwirft Deutschland im Krisenfall einem Leistungsmechanismus", kritisieren beide.“

Der Bundesrechnungshof in einem Artikel von Jannik Tillar, CAPITAL, 28. Juni 2023, Müssen Steuerzahler für die Verluste bei der Bundesbank aufkommen?:

„Der Bundesrechnungshof ist nun aber der Ansicht, dass solche Fehlbeträge möglicherweise nicht tragbar seien – und der Bund entsprechend planen sollte. Die Risiken "könnten den Bundeshaushalt im Schadensfall erheblich belasten, im Extremfall könnten sie die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestags gefährden", heißt es in dem zitierten Papier.“