Finanziert Russland sein Defizit mit Gold und Devisen?
Bei der tagesschau heißt es, dass die russische Regierung „einen Teil seiner Goldreserven verkauft” habe, um „sein hohes Haushaltsdefizit auszugleichen”. Diese Vorstellung eines Staatshaushaltes sind jedoch längst widerlegt.
Die russische Regierung, die mit ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine weltweit für Entsetzen gesorgt hat, bezahlt ihre Ausgaben über ihre Zentralbank. So ist es in Deutschland auch. Dabei erhöht die Zentralbank die Guthaben der jeweiligen Bank, bei welcher der Empfänger der Zahlung sein Konto hat. Die Guthaben der Zentralbank, auch Reserven genannt, können zur Überweisung an anderen Banken, zum Umtausch in Bargeld (Rubel) und zur Zahlung an den Staat verwendet werden. Aus diesem Grund ist die Bank dann einverstanden, ihrerseits das Guthaben des Zahlungsempfängers zu erhöhen. Egal, ob dieser das Einkommen an einen Kunden einer anderen Bank überweist, sich das Einkommen in Bar auszahlen oder damit Steuern zahlen will – die Bank kann alles drei leisten.
Der Staat erzeugt also mit seinen Ausgaben per Geldschöpfung neues Geld. Steuerzahlungen hingegen reduzieren dieses Geld. Da modernes Geld ein Schuldschein des Staates ist, was wir – Haushalte und Unternehmen – zu Zahlungen an den Staat verwenden können, kann der Staat selbst kein Geld besitzen. Es ist so, als wenn ich einen Schuldschein von mir selbst besitzen würde – es wäre dann nur ein Stück Papier, aber kein Schuldschein. Erst, wenn ich diesen an andere weiterreiche, entsteht die rechtliche Wirkung.
Der Staat, gemeint ist jetzt die Bundesregierung, gibt also erst Geld aus, welches sie dann über Steuern wieder einzieht. Dabei ist es normal, dass die staatlichen Ausgaben die Einnahmen übersteigen – wir sprechen dann von einem staatlichen Defizit. Nach den Ausführungen bisher ist das Defizit eine statistische Größe, nämlich die Differenz zwischen Staatsausgaben und Steuerzahlungen. Laut tagesschau erfordert aber ein Defizit eine Deckung:
„Ein Milliardenloch klafft in Russlands Staatshaushalt. Im Januar hat Russland deshalb zur Deckung von Lücken seine Gold- und auch seine Währungsreserven angegriffen.”
Die Idee hinter diesem Satz ist mir nicht ganz klar. Eventuell denken die Autoren, dass Russland eine dollar- oder goldgedeckte Währung hat oder das Russland in US-Dollar bezahlt. Beides ist nicht der Fall. Selbst wenn es der Fall wäre, gäbe es ein logisches Problem. Wie hat es denn die russische Regierung geschafft, dass die Ausgaben über den Einnahmen liegen, wenn für die Ausgaben doch Gold oder US-Dollar benötigt werden? Anders formuliert: woher kommt denn eigentlich das Defizit und warum gibt es einen Zwang, dieses zu „decken”?
Selbst als Privatperson mit einem Defizit wäre es nicht so, dass dieses „gedeckt“ werden müsste. Bei vielen Bundesbürgern liegen aktuell die Ausgaben über den Einnahmen, weil die Löhne deutlich schwächer wachsen als die Preise. Muss da irgendetwas „finanziert“ oder „gedeckt” werden? Wer es schafft, mehr Geld auszugeben, als er eingenommen hat, hat ja schon gezeigt, dass das Konto „gedeckt” war oder „finanziert” worden ist durch den Verkauf von Vermögen oder die Anhäufung von Schulden.
Auch in der Eurozone gibt es aktuell viele Länder mit staatlichen Defiziten. Verkaufen diese Gold, um „Milliardenlöcher” zu stopfen? Hat Griechenland, mit einem Schuldenstand von 210 Prozent des BIP im Jahr 2020, seine „Währungsreserven” angegriffen? Die Antwort lautet ganz klar: nein.
Die Idee, dass der russischen Regierung „das Geld ausgeht”, ist naiv. Der Krieg wird durch die Schöpfung von Rubel bezahlt. Euros kann die russischen Regierung schon seit den Sanktionen von 2014 nicht mehr dazu verwenden, Rüstungsgüter aus der EU zu kaufen. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass Russland bei der Fortführung des Kriegs auf Importe angewiesen ist, die zwingend mit Euro bezahlt werden müssen. Entscheidend für den Krieg in der Ukraine wird also sein, welche militärischen Ergebnisse erzielt werden. Dass Russland dabei „bankrott” geht ist ausgeschlossen.