FT-Interview zur Geldpolitik mit Stephanie Kelton
Heute morgen erschien in der Financial Times (FT) ein Interview mit Stephanie Kelton. Sie sagt dort: „Die Inflation ist trotz der Fed zurückgegangen, nicht wegen ihr“. Eine Erhöhung des Angebots wäre eine bessere Lösung für Inflation als eine Reduktion der Nachfrage.
Die Financial Times (FT) führt ein längeres Interview mit Stephanie Kelton, Bestseller-Autorin („The Deficit Myth“) und Professorin an der Stony Brook University. Es geht dabei im Wesentlichen um die Frage, wie wir heute Wirtschaftspolitik betreiben. Aktuell sollen Zentralbanken durch Veränderungen der Zinsen Inflation bekämpfen, während der Staat sich zurückhält durch selbstgesetzte politische Beschränkungen seiner Ausgaben (z.B. die Schuldenbremse oder die Defizitgrenzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes). Der aktuelle Rückgang der Inflation ist laut Kelton trotz der Fed zurückgegangen und nicht wegen ihr. In den USA sind wie in der Eurozone die Zinsen gestiegen, allerdings sind die privaten Investitionen nicht eingebrochen, sondern sind wieder angestiegen nach dem Einbruch in der Pandemie.
Wie die folgende Abbildung zeigt, sind die privaten Investitionen (blau, rechte Achse, in 2017er USD) nicht eingebrochen, obwohl die Zinsen am Interbankenmarkt (rot, linke Achse, in %), die von der Fed kontrolliert werden, deutlich angestiegen sind. Dies passt nicht zur Theorie der Zentralbanken, die basierend auf dem Neukeynesianismus erklärt, dass höhere Zinsen für Unternehmen höhere Kapitalkosten bedeuten, was wiederum einige Investitionen unrentabel macht. Dadurch würden diese Investitionen nicht durchgeführt, was die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen genauso wie Arbeit reduziert. So sollen auch Preise und Löhne relativ zu vorher reduziert werden. Wenn das der Plan war, so wird deutlich, dass er zumindest in den USA nicht funktioniert hat. (Für die Eurozone hat es auch nicht funktioniert, wie ich indirekt gestern gezeigt habe.)
Zusätzlich zur nicht wahrnehmbaren Wirkung der Zinsen auf private Investitionen bemängelt Kelton, dass die steigenden Zinsausgaben der Bundesregierung überhaupt nicht berücksichtigt würden. Der Staat gibt mehrere Dutzend Milliarden Euro mehr aus, wenn die Zinsen auch nur um einen Prozentpunkt steigen. Kelton sieht das als Subvention für Leute, die schon Geld haben. Sie schlägt vor, die Ausgaben von Staatsanleihen zur „Finanzierung des Defizits“ – so etwas gibt es nur in den Köpfen der Ökonomen, in der Realität erhöht die Zentralbank die Konten der Banken – einzustellen.
Das längere Interview ist sehr lesenswert, gerade auch vor dem Hintergrund der Rezession in Deutschland und der Eurozone, in der wir uns wohl befinden. Die Wirtschaftspolitik scheint im Wesentlichen auf Theorien zu basieren, deren Annahmen und Vorhersagen in der Realität ein ums andere Mal widerlegt wurden. Wie ein angeschlagener Boxer taumeln nun die alten Ökonomen mit ihren Ratschlägen von einer Niederlage zur anderen. Erst behaupteten sie, die Inflation wäre eine Folge der zu hohen Nachfrage der Corona-Zeit. Die Inflation ging aber schnell wieder zurück, weil sie durch steigende Energiepreise ausgelöst wurde. Dann argumentierten sie in der Folge, dass steigende Zinsen der Notenbanken dringend nötig wären, um über dauerhafte Massenarbeitslosigkeit die Inflation zu bekämpfen. Diese ging aber von alleine wieder zurück, weil die Energiepreise wieder sanken. Dies gilt auch für Japan, wo immer noch der Nullzins herrscht. Dann rieten die alten Ökonomen zu Senkungen der Staatsausgaben, weil dass die Inflation reduzieren würde. Damit stürzten sie Deutschland und Europa in die Rezession, nachdem die Erholungsphase mit steigenden Staatsausgaben hervorragend funktionierte – die Arbeitslosigkeit ging schnell zurück, dass BIP stieg schon im Jahr nach der Pandemie auf das Vorkrisenniveau. Das war deutlich besser als die Austeritätspolitik der 2010er Jahre nach der globalen Finanzkrise.
Das Interview mit Stephanie Kelton ist sehr aufschlussreich, weil hier sehr gut deutlich wird, was die Alternative zum Inflationsziel mit Schuldenbremse ist. Es geht dabei nicht um eine wirtschaftspolitische Umstellung, sondern um eine Neubewertung der wirtschaftspolitischen Instrumente:
„Die Geldpolitik war schon immer ein Nebenschauplatz. Wenn man darüber reden will, was wirklich zur Stabilisierung der Wirtschaft beiträgt, dann ist es die Finanzpolitik.“