Geldpolitik und Ukrainekrieg
Die EZB hat die Zinsen in der vergangenen Woche weiter erhöht. In Anbetracht der wirtschaftspolitischen Herausforderungen und des Ukrainekriegs mit einer drohenden russischen Frühjahrsoffensive erscheint dies seltsam aus der Zeit gefallen.
Wie die New York Times berichtet, bereiten sich die ukrainischen Streitkräfte auf eine russische Offensive vor, die eventuell auch die Hauptstadt Kiev als Ziel hat. Dies bedeutet, dass der Krieg wohl auch 2023 noch weiter gehen wird - ein Frieden ist leider nicht in Sicht. Daraus müssen wir auch folgern, dass die russische Energie weiterhin der deutschen Wirtschaft nicht zur Verfügung steht und dass die Ukraine finanzielle und materielle Unterstützung braucht. Deutschland und die EU wären also gut beraten, die privaten wie öffentlichen Investitionen in die Energieerzeugung zu erhöhen.
In einer solchen Situation mutet es seltsam an, dass die EZB all diese Überlegungen ausblendet und mit Blick auf die erhöhten Inflationsraten die Zinsen weiter erhöht. Nicht nur das - auch die Staatsanleihen in der Bilanz des Eurosystems sollen abgewickelt werden. Das bedeutet, dass langfristige Zinsen steigen werden, denn ein erhöhtes Angebot an Staatsanleihen kann nur in den Markt gedrückt werden, wenn diese attraktiv bepreist werden. Dies impliziert eine steigende Verzinsung und macht es daher privaten Investoren im Bereich Energie schwieriger, an Geld zu kommen. Schließlich ist die risikolose Staatsanleihen nun niedriger verzinst.
Die EZB schreibt: "Mehr Menschen haben einen Arbeitsplatz als je zuvor in der Geschichte des Euro. Aber das wird sich wahrscheinlich ändern, wenn die Wirtschaft schwächer wird." Ist es denn nicht Aufgabe einer Zentralbank, in schwierigen Zeiten für Vollbeschäftigung zu sorgen? Es wäre doch sinnlos, jetzt die Arbeitslosigkeit zu erhöhen - wir können Arbeitskräfte in sehr vielen Sektoren gebrauchen! Leider hat die EZB nur ein Ziel mitbekommen, und das ist die Inflation. Dieses Setup wird nun, in Verbindung mit der Unabhängigkeit der EZB, zum Problem. Sollten EU und Mitgliedsstaaten andere Prioritäten haben, welche höher als die Inflation angesehen werden, dann haben wir ein Problem. Die EZB hat ein sehr enges Mandat und darf nur dann die EU unterstützen, wenn das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird.
Die Zeitenwende zeigt schonungslos die institutionellen Schwächen der Eurozone auf. Es gibt keine Verantwortung für Arbeitslosigkeit, weder in Brüssel (das EU Budget ist zu klein) noch bei nationalen Regierungen (normalerweise gelten Defizitgrenzen, was de facto die Ausgaben begrenzt). Die EZB hingegen ist erstens einseitig an der Doktrin des Inflationsziels ausgerichtet, welches empirisch umstritten ist. Zinserhöhungen führen nicht einfach zu einer Reduktion der Inflationsrate. Die hohen Inflationsraten hingegen sind ein Symptom steigender Energiepreise, auf die die EZB keinen Einfluss hat. Statt mit Zinserhöhungen an den Symptomen herumzudoktorn sollte die EZB lieber die Zinsen niedrig halten, um so mehr Investitionen anzuregen. Damit würden unsere Probleme tatsächlich angegangen werden.
Man wird sich ja noch etwas wünschen dürfen.