Höhere Zinsen ohne höhere Bankprofite?

13.01.2023

Paul De Grauwe und Yuemei Ji fordern in einem kurzen Artikel, die Mindestreserveanforderungen zu erhöhen. So würden die Banken weniger Gewinne machen und der Staat hätte höhere Einnahmen. Warum plädieren sie dann nicht gleich für permanente Nullzinsen?

Banken haben Guthaben bei der Zentralbank. Diese werden mit dem Einlagesatz verzinst. Wenn der Einlagesatz bei null liegt oder sogar negativ ist, müssen Banken Geld an die Zentralbank zahlen. Sind die Zinsen jedoch positiv, so wie jetzt, bekommen die Banken von der Zentralbank Geld. De Grauwe und Yi schreiben:

„Nehmen wir das Beispiel des Eurosystems: Die von den Kreditinstituten bei den nationalen Zentralbanken und der EZB gehaltenen Bankreserven beliefen sich Ende 2022 auf 4,6 Billionen Euro (EZB, Statistical Data Warehouse). Im Dezember 2022 wurde der Vergütungssatz für diese von den Geschäftsbanken gehaltenen Bankreserven auf 2 % angehoben. Das bedeutet, dass das Eurosystem im Jahr 2023 92 Milliarden Euro an Zinsen an die Kreditinstitute zahlen wird. Diese Zinszahlungen werden wahrscheinlich noch höher ausfallen, da die EZB weitere Zinserhöhungen angekündigt hat.“

Die Autoren argumentieren, dass diese 92 Milliarden Euro dann den nationalen Regierungen fehlen werden, welche entsprechend ihre Ausgaben kürzen müssten. Daher fordern sie, die Mindestreservesätze zu erhöhen. Banken müssten dann einen größeren Anteil ihrer Zentralbankguthaben (Reserven) als Mindestreserve halten, was nur eine juristische Unterscheidung ist. Auf diesen Teil muss das Eurosystem keinen Zins zahlen. Diese Idee ist gar nicht so schlecht und die EZB sollte darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Mindestreserven zu erhöhen.

Die Autoren schreiben weiter: „Central banks make profit (seignorage) because they have obtained a monopoly from the state to create money." Diese Sicht der Dinge ist etwas seltsam. Wie die MMT schon seit Jahrzehnten sagt, hat die Zentralbank tatsächlich das Monopol der Geldschöpfung inne, weil der Staat es ihr übertragen hat. Allerdings müsste dann eigentlich auch verstanden sein, dass die Zentralbank die Ausgaben des Staates mit Geldschöpfung bezahlt. Sie erhöht einfach die Konten der Banken, die wiederum dann die Konten der ZahlungsempfängerInnen erhöhen. Damit sind die nationalen Regierungen nicht auf Zentralbankgewinne angewiesen. Die 92 Milliarden Euro, die weniger ausgeschüttet werden in der Eurozone, werden also nicht zu geringeren Staatsausgaben führen.

Solange der Stabilitäts- und Wachstumspakt deaktiviert ist - bis Ende dieses Jahres - können die Regierungen Ausgaben in gewünschter Höhe bestreiten, solange sie Staatsanleihen verkaufen können. Damit finanzieren sie nicht ihre Ausgaben, sondern sie bringen durch die Erlöse ihr jeweiliges Konto bei der Zentralbank wieder ins Positive (sofern die Steuereinnahmen nicht ausreichen). Die Sorge der Autoren, dass höhere Zinsen zu geringeren Staatsausgaben führen, ist also völlig unbegründet. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass hohe Zinsen beispielsweise in den 1980ern mit hohen Staatsausgaben korrelierten. So gab in den USA Präsident das Geld mit vollen Händen aus für sein „Star Wars“-Programm bei zweistelligen Zinsen der Fed. Ein Bankrott wurde nie auch nur in Erwägung gezogen.

Wir halten fest: Dem Staat kann das Geld nicht ausgehen, aber höhere Zinsen können dazu führen, dass mehr Geld ohne Leistung ausgezahlt wird. Dies bekommen die BesitzerInnen der Staatsanleihen und die Banken. Um diese Verteilungswirkung zu unterbinden, können die Mindestreserven erhöht werden. Bei den Staatsanleihen könnten die Zinserträge zu 100% besteuert werden, um die Zufallsgewinne zu entfernen. Allerdings stellt sich die Frage, warum De Grauwe und Yi nicht argumentieren, dass die Zentralbank die Zinsen auf null setzt und dort hält, wenn sie positive Zinsen als Problem der Verteilung ansehen. Jetzt könnten die Autoren antworten, dass höhere Zinsen die Inflation bekämpfen. Allerdings sehen wir davon nichts. Die deutsche Wirtschaft brummt aktuell immer noch, und trotzdem sinkt die Inflationsrate wieder. Die Energiepreise lassen sich wohl durch den Leitzins nicht beeinflussen, sind aber ein wichtiger Einflussfaktor für die Inflationsrate.