Isabel Schnabel über die Wirkunglosigkeit der Geldpolitik

08.02.2023

Die EZB erkennt, dass ihre geldpolitische Strategie nicht aufgeht. Das Eurosystem ist nicht in der Lage, mithilfe ihrer Instrumente die Inflationsrate schnell genug in die richtige Richtung zu bewegen. Die Zentralbanken müssen Geldpolitik neu denken.

Bloomberg berichtet via Twitter (€) über die EZB und Isabel Schnabel:

Übersetzt ins Deutsche steht dort: "Man kann nicht sagen, dass die Geldpolitik eine solche Wirkung hat, dass wir darauf hoffen können, dass die Inflation mittelfristig unser Ziel von 2 % erreicht". Ich würde gerne ergänzen, dass wir auch nicht hoffen können, dass die Inflation langfristig unser Ziel von 2 % erreicht. Jedenfalls geben die Daten wenig Anlass zur Hoffnung:

Zinsen (blau) – hier der Spitzenrefinanzierungssatz, also der Satz, zu dem sich Banken gegen Sicherheiten vom Eurosystem Zentralbankguthaben leihen können für eine Nacht – und Inflationsrate in der Eurozone (rot) entwickeln sich die meiste Zeit parallel. Die Korrelation ist positiv, was natürlich noch nichts über die Kausalität sagt. Allerdings passt diese Korrelation nicht zu der von der EZB angedachten Kausalität der Transmission der Geldpolitik. Die EZB schreibt dazu:

"Änderungen der Zinssätze wirken sich auf die Spar- und Investitionsentscheidungen von Haushalten und Unternehmen aus. Bei ansonsten gleichen Bedingungen machen höhere Zinssätze beispielsweise die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Konsum oder Investitionen weniger attraktiv. [...]

Veränderungen beim Verbrauch und bei den Investitionen verändern das Niveau der inländischen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum inländischen Angebot. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, ist ein Aufwärtsdruck auf die Preise zu erwarten. Darüber hinaus können sich Veränderungen der Gesamtnachfrage in einer Verknappung oder Verknappung der Bedingungen auf den Arbeits- und Vorleistungsmärkten niederschlagen. Dies wiederum kann die Preis- und Lohnbildung auf dem jeweiligen Markt beeinflussen.“

Die Idee ist also, dass höhere Zinssätze den Konsum und die Investitionen reduzieren, was dann „die Preis- und Lohnbildung auf dem jeweiligen Markt beeinflussen“ kann. Die Kausalität läuft also von höheren Zinsen über geringere Investitionen und geringeren Konsum zu Druck nach unten bei Preisen und Löhnen, was dann die Inflationsrate reduzieren soll. Entsprechend sollten niedrigere Zinsen die Inflationsraten nach oben treiben. Allerdings sehen wir in der Abbildung oben, dass das so nicht funktioniert. Seit 2010 war der Zins in der Eurozone niedrig, seit 2015 etwa sogar quasi ein Nullzins. Die Inflation allerdings ist nicht angestiegen, sondern fiel eher wieder, zumindest bis kurz vor der Pandemie.

Insofern ist der Pessimismus von Isabel Schnabel gerechtfertigt. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lassen nicht vermuten, dass Zinsveränderungen einen wesentlichen Einfluss auf die Inflationsrate haben. Niedrigzinsen kurbeln die Wirtschaft nicht so an, dass dies zu höheren Inflationsraten führt. Höhere Zinsen sind auch weitestgehend wirkungslos, wie die Periode von 2005-2008 zeigt. Der Abfall der Inflationsrate lag dann in der globalen Finanzkrise begründet, in der Eurozone im Kollaps der Immobilienmärkte in Spanien und Irland. Aktuell scheint der Immobilienmarkt in Deutschland unter den hohen Zinsen zu leiden, während die Anlageinvestitionen sich horizontal entwickeln oder sogar steigen.

Die EZB im Jahr 2023 hat ein großes Problem. Die Transmission der Zinsen funktioniert nicht, wie in der Theorie vorgesehen. Die Inflationsrate wird im Wesentlichen durch Energiepreise bestimmt, dazu herrscht Krieg in der Ukraine - ein Reduktion der Investitionen in Deutschland wäre geradezu fatal. Zudem verfehlt die Bundesregierung ihre Wohnungsbauziele. Die temporäre Aufgabe der Defizitgrenzen hat der Eurozone eine Rekordbeschäftigung ermöglicht, die auf Fiskalpolitik beruht. Es wäre an der Zeit, die Wirkung der Investitionen auf die zukünftige Kapazität der Wirtschaft und zudem die Rolle des Staates explizit in geldpolitischen Analysemodellen zu berücksichtigen. Die aktuellen Modelle, auf denen die heutige Geldpolitik beruht, leisten das nicht.