Schulden – Eine wachsende Belastung für globalen Wohlstand?
Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen behauptet, dass Schulden eine wachsende Belastung für globalen Wohlstand wären. Schulden des Staates sind allerdings etwas völlig anderes als Schulden von Haushalten und Unternehmen.
Die Vereinten Nationen spielen heute ein eher geringe Rolle in der öffentlichen Debatte, sie werden weit weniger wahrgenommen als z.B. der IWF oder die Weltbank. Dies verwundert nicht, denn anders als IWF und Weltbank hat die UN kein Geld zu vergeben an Länder in Not oder an Länder, die gerne mehr oder bessere Infrastruktur hätten. Dies kann allerdings auch ein Vorteil sein, denn die UN verleiht kein Geld und kann es sich daher leisten, eine neutrale Perspektive (und nicht die des Kreditgebers) einzunehmen. Die UN könnte sich zudem absetzen vom Denken des „Washington Consensus“ und vom Steuerzahler-Mythos, der die internationalen Organisation immer noch weitgehend beherrscht.
Leider hat die UN diese Chance verstreichen lassen in ihrem aktuellen Report “A world of debt: A growing burden to global prosperity“. Die Publikation zeugt von Unkenntnis fundamentaler bilanzieller Zusammenhänge, über die eben nicht gestritten werden kann. Schon im Titel werden „Schulden“ – böse – und „globaler Wohlstand“ – gut – gegeneinander in Stellung gebracht. Dies ist verwunderlich, denn es sollte allgemein bekannt sein, dass die Schulden der einen die Geldvermögen der anderen darstellen.
Wenn ich beispielsweise einen Immobilienkredit über 250.000€ aufnehmen und damit eine Immobilie kaufe, dann bekommt der Verkäufer mein Geld. Ich habe dann die Schulden (Immobilienkredit) und der Verkäufer hat das Geld (Vermögen). Was sich der Verkäufer für sein Geld kaufen kann, ist eine andere Frage, aber ohne die Geldschöpfung per Bankkredit würde sich diese Frage gar nicht erst stellen. Nebenbei bemerken wir, dass hier Risiko und Unsicherheit entstehen, denn eventuell kann ich meinen Kredit an die Bank nicht zurückzahlen. Vielleicht werde ich ja arbeitslos oder krank. Private Verschuldung, dass hat nicht zuletzt die Finanzkrise von 2008/09 gezeigt, kann zu einer schweren Wirtschaftskrise führen.
Davon zu trennen ist die sogenannte „Staatsverschuldung“. Diese entsteht, wenn der Staat mehr Geld ausgibt als er später wieder einnimmt. Der Staat schuldet dabei aber lediglich die Annahme seines eigenen Geldes für Steuerzahlungen. Kein Staat der Welt verspricht, die Staatsverschuldung auf null zu reduzieren. Solange der Staat sich in eigener Währung verschuldet, kann ihm sein eigenes Geld nicht ausgehen. Eventuell unterstützt ihn die Zentralbank nicht, wie in Griechenland 2010 bei einem Stand der „Staatsverschuldung“ von 130 Prozent. Oder aber sie tut es doch, so wie 2020 bei einem Stand der "Staatsverschuldung" von 210 Prozent. Solange kein Schulden in ausländischer Währung vorhanden sind, ist also eine Zahlungsunfähigkeit bei „Staatsschulden” ausgeschlossen.
Es macht also daher keinen Sinn, so wie es die UN Arbeitsgruppe macht, alle Schulden in einen Topf zu schmeißen und dann einfach zu jammern, dass die Schulden immer höher werden. Das steigende Privatgeldvermögen wird dabei komplett übersehen. Ebenso wird die Tatsache verschwiegen, dass private Schulden problematisch sind, staatliche Schulden aber in den allermeisten Fällen nicht. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel, wie z.B. Argentinien, welches Staatsanleihen in USD emittiert hat und damit nicht klar kommt. Schauen wir auch die Infografik der UN und streichen mal die Länder, denen ihr eigenes Geld nicht ausgehen kann und die keine signifikanten Schulden in ausländischer Währung haben:
Durch das Aussortieren der Länder mit eigener Währung und ohne nennenswerte Schulden in ausländischer Währung erkennen wir, dass die „Staatsschulden“-Problematik eigentlich nur Schwellen- und Entwicklungsländer betrifft. Der Text zu der Abbildung oben liest sich folgendermaßen (mit Fußnote 2, Fett durch mich):
Infolgedessen ist die Zahl der Länder, die mit einer hohen Verschuldung konfrontiert sind, von nur 22 Ländern im Jahr 2011 auf 59 Länder im Jahr 2022 stark gestiegen. 2
2 Ein repräsentativer Schwellenwert von 60 % öffentlicher Verschuldung im Verhältnis zum BIP wird als Indikator für eine hohe Verschuldung verwendet. Dieser Richtwert wird vom IWF als einer seiner Indikatoren zur Bewertung der Schuldenlast in Schwellenländern verwendet. Die tatsächliche Schuldenlast ist jedoch von Land zu Land unterschiedlich und hängt von Faktoren wie dem Entwicklungsstand, dem Wachstums- und Einnahmepotenzial sowie institutionellen Erwägungen ab.
Diese Erklärung ist irreführend, denn der wichtigste Punkt findet sich erst ganz am Ende der Fußnote und wird noch nicht mal klar ausgedrückt. Die „tatsächliche Schuldenlast“ hängt z.B. vom Zins der Zentralbank ab, der eine Politikvariable ist. Wenn also die "tatsächliche Schuldenlast" ein Problem sein sollte, kann die Zentralbank den Zins auf null senken und alle Staatsanleihen ankaufen, die höher verzinst sind. Damit sollte das „Problem“ gelöst sein. Die Ankündigung eines Ankaufprogramms durch die Zentralbank sollte bereits ausreichen, um Investoren davon zu überzeugen, dass die Anleihen der jeweiligen Regierung sicher sind. Somit ist eine Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen und „Staatsschulden“ sind kein Problem mehr.
Immerhin haben die Autoren des Reports weiter unten noch festgestellt, dass Länder mit Schulden in Fremdwährung in einer anderen Situation sind als der Rest, wie folgende Abbildung zeigt:
Die weiteren Diskussion in dem Report sind dann differenzierter als der Teil am Anfang, so dass man sich als Leser fragt, ob unterschiedliche Autoren diese Teile geschrieben haben, die so überhaupt nicht zueinanderpassen wollen. Augenscheinlich kam es innerhalb des Autorenteams zu Unstimmigkeiten, die auf Kosten der Kohärenz gelöst wurden. Während am Anfang behauptet wird, dass „Schulden“ schlecht sind, wird später dann unterschieden zwischen „Staatsschulden“ in eigener und in fremder Währung.
Eine wachsende Belastung für den globalen Wohlstand ist wohl die fehlgeleitete Idee, dass „Schulden“ schlecht sind. Schulden müssen funktional sein: wenn der gesellschaftliche Wohlstand durch Bankkredite und Staatsausgaben steigt, sind auch steigende „Schulden“ funktional. Werden hingegen durch den Staat nur Ressourcen verschwendet oder Zahlungen an Ausländer getätigt, die dann Ressourcen aus dem Inland abziehen, dann ist die Staatsverschuldung dysfunktional. Das gilt in noch stärkerem Ausmaß für private Verschuldung, die zu Finanzkrisen führen kann, wenn faule Kredit produziert werden. Es wäre daher sinnvoll gewesen, hier schon im Titel zu differenzieren und nicht mit der Schlagzeile „Schulden – Eine wachsende Belastung für globalen Wohlstand“ (ohne Fragezeichen!) zu beginnen.