US-Zölle gegen chinesischen Stahl – wer verliert dabei?

19.04.2024

Die Regierung Biden plant höhere Zölle auf chinesischen Stahl. Stahl und Schiffbau sollen geschützt werden. Diese Maßnahme wird Gewinner und Verlierer produzieren – wer ist wer?

Die Deutsche Welle berichtet:

„Die qualitativ hochwertigen US-Stahl- und Aluminiumprodukte müssten derzeit mit künstlich vom chinesischen Staat verbilligten Produkten konkurrieren, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Amerikanische Arbeitnehmer seien wegen des Imports chinesischer Produkte unfairer Konkurrenz ausgesetzt. Durch eine mögliche Verdreifachung der Strafzölle solle die US-Stahl- und Schiffbauindustrie vor "unfairen Praktiken" geschützt werden. Zudem würden die Produkte aus China bei deutlich höherem Kohlendioxidausstoß produziert. Der aktuelle Durchschnitt der Zölle liegt bei 7,5 Prozent - dieser Satz stammt noch aus der Präsidentschaft des vorherigen Staatspräsidenten, des Republikaners Donald Trump.“

Der internationale Handel ist für die USA zwar nicht ganz so wichtig wie für Deutschland, da in den USA der Anteil der Exporte und Importe am BIP nur knapp über 10 Prozent liegt. Dennoch hat das Land in den 2000er Jahren ein Drittel aller industrielle Arbeitsplätze verloren, was die weiße Arbeiterklasse in die Hände der Republikaner getrieben hat. Hohe Löhne gibt es nämlich nur bei industriellen Arbeitsplätzen und im industrie-nahen Dienstleistungssektor. Das ist also das, was die Wählerschaft will – nicht Jobs als Fahrer bei Uber oder Amazon, oder bei McDonalds oder Holiday Inn zum Mindestlohn.

An sich spricht jedoch im internationalen Handel nichts gegen billige Importe. Wenn chinesische Unternehmen Stahl in die USA verkaufen, der subventioniert ist, dann handelt es sich um eine Art Geschenk. Die Käufer aus den USA bekommen für weniger Geld den gleichen Stahl – was ist daran nicht zu mögen? Je niedriger Preis, desto besser – vielleicht ließe sich ja der Preis durch Subventionen auf null drücken, dann bekäme die US-Wirtschaft den Stahl sogar umsonst! Die Schiffbauindustrie würde sich freuen, denn ihre Wettbewerbsfähigkeit würden dann steigen. Auch die Kunden der Schiffbauindustrie würden sich freuen, denn Schiffe wären dann billiger. Wir halten fest: Wenn das Ausland seine Produkte billiger verkauft, führt das zu einem Anstieg der Konsummöglichkeiten in den USA.

Allerdings, und das ist das politische Problem, führt es auch zu einem Absterben der Stahlindustrie. Nun könnte die US-Regierung sagen, dass die Arbeitskräfte ja in andere Sektoren wechseln könnten, schließlich würde die Wirtschaft ja gerade gut wachsen. Aber es ist nicht so einfach, selbst wenn die Arbeitskräfte problemlos wechseln könnten (was nicht der Fall ist). Die Produktion von Stahl ist wesentlich für die Wirtschaft. Automobilbau, Bauwirtschaft, Schiffbau, Maschinenbau – überall wird Stahl gebraucht. Wenn der Stahl aus China kommt, verlieren „die USA“ die Kontrolle über dessen Produktion. Sollten sie für einen Green New Deal anderen Stahl wollen, erzeugt mit erneuerbaren Energien, kann es sein, dass es diesen nicht gibt. Damit verliert die US-Regierung an Einfluss. (Wobei China wohl aktuell mehr erneuerbare Energie hat als die USA.)

Internationaler Handel ist also komplizierter, als es den Anschein hat. Wenn wir in Deutschland billige chinesische Elektroautos kaufen können, dann ist das gut für uns als Konsumenten aber schlecht für den Sektor Automobilbau. Das gilt natürlich auch andersherum. Wenn andere Länder mehr deutsche Produkte kaufen als wir ausländische Produkte, dann verliert das Ausland sowohl Geld (weil sie mehr bezahlen für deutsche Güter als sie aus Deutschland bekommen für eigene Exporte) als auch Einfluss. Generell spräche nichts dagegen, subventionierte Güter aus dem Konsumbereich anzunehmen. Wenn uns die Unternehmen eines Landes Designer-Sonnenbrillen zum halben Preis verkaufen wollen, warum nicht? Das Produkt ist für die deutsche Wirtschaft nicht essentiell, und es gibt auch keine Sektoren, bei denen Designer-Sonnenbrillen ein Input sind.

Die Regierung eines Landes sollte sich also gut überlegen, ob sie gegen Subventionen im Ausland vorgeht. Auf der einen Seite kriegen nämlich die Bürger Produkte billiger als sonst, während auf der anderen Seite die Macht der Politik und damit auch der Gesellschaft reduziert wird. In einigen Bereichen mag das nicht relevant sein, aber in anderen kann es doch sehr wichtig sein. Gerade dort, wo Grundprodukte der Wirtschaft erzeugt werden, z.B. auch bei der Energieversorgung, sollte der ausländische Einfluss nicht zu hoch sein. Länder wie Großbritannien, die ihre Elektrizitätserzeugung an ausländische Unternehmen verkauft haben, haben das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand.