Warum braucht die schwedische Zentralbank Kapital?

20.06.2024

Die schwedische Zentralbank hat die schwedische Regierung um eine Finanzspritze von 25 Mrd. schwedischen Kronen (SEK) gebeten, um das Eigenkapital positiv zu halten. Wenn aber die Zentralbank die Geldschöpferin ist, warum braucht sie dann ein positives Eigenkapital?

In meinem Lehrbuch schreibe ich in Kapitel 5 zu Zentralbanken:

„Kann eine Zentralbank "bankrott" gehen?

Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Nein. In der gesamten Geschichte des modernen Zentralbankwesens ist kein einziger Fall bekannt, in dem eine Zentralbank zahlungsunfähig gegangen wäre. Moderne westliche Zentralbanken können innerhalb des gesetzlichen Rahmens nach eigenem Ermessen die Konten von Banken und staatlichen Stellen im Zahlungssystem erhöhen und reduzieren“

Natürlich gilt für die Zentralbanken ein gesetzlicher Rahmen, innerhalb dessen sie nach eigenem Ermessen Geld schöpfen können. Aber ein negatives Eigenkapital würde die Zentralbank nicht aufhalten können. Schließlich ist das ja nur eine Statistik in einer Bilanz. Rein technisch gesehen behindert sie die Zentralbank bei der Administration des Zahlungssystems nicht. Warum also die Rekapitalisierung?

Anscheinend ist in Schweden das Wissen um das Geldsystem rar. Die Zentralbank scheint nicht zu verstehen, dass das Eigenkapital ihre Fähigkeit der Geldschöpfung und damit auch der Zinssetzung nicht berührt. Die Riksbank hat das Monopol auf die Schöpfung von schwedischen Kronen. Warum schöpft sie nicht einfach Geld und verbucht das auf der Aktivaseite, was das Eigenkapital um den gleichen Betrag erhöhen würde?

Die Antwort ist, dass dies das Eigenkapital der Riksbank nicht erhöhen würde. Sie kann nämlich kein Geld auf einem Konto bei sich selbst halten. Was sollte ein solcher Kontostand auch bedeuten? Was „schuldet“ denn die Zentralbank sich selbst? Wenn sie eine Staatsanleihen kaufen will, erhöht sie den Kontostand einer Bank. Sie schöpft dabei Geld, was sie nicht von „ihrem“ Konto nimmt – sie hat gar keins! Sie braucht ja auch keins, eben weil sie Geld schöpfen kann. Während wir darauf angewiesen sind, erst Einnahmen zu erzielen oder Geld zu leihen, bevor wir Geld ausgeben, ist die Geldschöpferin in einer sehr viel komfortableren Position. Das ist halt das Privileg einer Zentralbank. Anscheinend nur existiert dieses Wissen in Schweden nicht.

Wie also soll eine Eigenkapitalerhöhung aussehen, wenn die Zentralbank gar kein Geld halten kann? Eine Möglichkeit wären Staatsanleihen. Könnte sich die Zentralbank 25 Mrd. SEK an Staatsanleihen in die Bilanz schreiben, dann würde das Eigenkapital um dieselbe Summe steigen. Prima, dann kann sie ja einfach welche kaufen, werden jetzt viele denken – aber genau das funktioniert nicht. Denn wenn die Riksbank für die Staatsanleihen bezahlt, dann erzeugt sie dabei Reserven (Guthaben der Banken bei der Zentralbank). Dadurch steigt die Passiva-Seite genau wie die Aktiva-Seite, das Eigenkapital bliebt unverändert. Was tun?

Die schwedische Regierung könnte der Riksbank die Anleihen schenken. 25 Mrd. SEK in Staatsanleihen für die Riksbank, kein Anstieg der Passivaseite – das würde tatsächlich das Eigenkapital erhöhen. Aber zu welchem Preis? Die Staatsverschuldung würde steigen, wenn man sie an der Summe der ausstehenden Staatsanleihen misst. Wenn man das fiskalische Defizit misst, bleibt alles beim alten, denn die Staatsausgaben steigen ja nicht. Vielleicht aber zählen Schenkungen von Staatsanleihen doch dazu? Es ist knifflig, aber letztlich auch egal. Regierung und Zentralbank sind beide staatlich, und die Zentralbank kann der Regierung Geld schenken und die Regierung der Zentralbank dem Staat Staatsanleihen wie sie lustig sind. Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat das nicht.

Als unabhängiger Beobachter frage ich mich, warum die Riksbank nicht einfach wie die EZB die Verluste mit „zukünftigen Gewinnen“ aufrechnet. Hier wird aus Unkenntnis des Geldsystems ein völlig sinnloser Buchungsvorgang mit Beteiligung des schwedischen Parlaments in Gang gesetzt, den man sich hätte sparen können. Wo doch sonst das Sparen so viel kritisiert wird, hier wäre es angebracht gewesen.