Warum die Bundesbank auch bei hohen Zinsen keine Verluste für "die Steuerzahler" beschert

15.11.2022

In einem englischsprachigen Artikel wird Panik geschürt vor Verlusten der nationalen Zentralbanken in der Eurozone. Diese Angst ist unbegründet. Zentralbanken sind keine normalen Banken oder Unternehmen, daher bilanzieren sie anders und das Risiko eines Nachschießens von Eigenkapital ist unbegründet.

In einem Artikel bei Zero Hedge aus dem Oktober heißt es in der Ankündigung:

Im September schrieb der Präsident der niederländischen Zentralbank den vielleicht bemerkenswertesten Brief seiner Karriere: Darin hieß es, dass die Zinserhöhungen der EZB zum ersten Mal seit 1932 zu Verlusten für die De Nederlandsche Bank (DNB) führen werden. Mehrere Länder der Eurozone stehen vor einem ähnlichen Problem. Um die Verluste ihrer Zentralbanken aufzufangen, laufen die europäischen Steuerzahler Gefahr, Dutzende oder sogar Hunderte von Milliarden Euro pro Jahr zahlen zu müssen. Gleichzeitig erhalten die privaten Banken die gleiche Summe, ohne etwas dafür tun zu müssen. Die EZB steht nun vor der entscheidenden Entscheidung, ob erneut Milliarden an Steuergeldern in den Bankensektor fließen werden.

Hier wird - wieder einmal - der Mythos des Steuerzahlergelds verbreitet. Gewarnt wird davor, dass die Verluste bei den Zentralbanken ihr Eigenkapital reduzieren würden, was wiederum dann zur Folge hätte, dass "der Steuerzahler" das finanzielle Loch mit "seinem" Geld stopfen müsse. Dazu wird es allerdings nicht kommen, denn Zentralbanken sind keine gewöhnlichen Banken. Als Schöpfer unseres Geldes ist ihre Zahlungsfähigkeit nie in Frage zu stellen. Sie können ja Geld mit dem Computer erzeugen, indem sie Konten bei sich erhöhen. Das geschieht völlig unabhängig von der Frage, wie hoch das Eigenkapital ist. Sie bilanzieren auf eigene Art und Weise, weil sie weder von Illiquidität noch von Insolvenz betroffen sein können.

Was also würde passieren, wenn etwa die Europäische Zentralbank (EZB) Verluste einfährt? Die Antwort findet sich auf den Webseiten der EZB. Dort heißt es:

Seit ihrer Gründung hat die EZB so gut wie jedes Jahr einen Gewinn erzielt. Zentralbanken können jedoch auch Verluste machen. Um einen Verlust zu decken, würde die EZB zunächst die Mittel aus der in den Vorjahren gebildeten Rücklage verwenden. Falls diese Mittel nicht ausreichen würden, könnte die EZB die NZBen des Euroraums bitten, den verbleibenden Verlust mit den Einnahmen aus ihren geldpolitischen Geschäften zu decken. Bleibt ein Restbetrag, so kann dieser in der Bilanz der EZB erfasst und mit künftigen Nettoerträgen verrechnet werden.

Sollten also die Verluste sehr hoch sein, kann die EZB einfach eine Forderung erstellen, welche "zukünftige Einnahmen" heißt. Diese wird dann auf der Aktiva-Seite verbucht und gleicht die Verluste auf der Passiva-Seite aus. Dies sieht kosmetisch besser aus, als das Eigenkapital negativ werden zu lassen. Zudem wird damit auf jeden Fall ausgeschlossen, dass hier den nationalen Zentralbanken und damit auch den Finanzministerien irgendeine Nachschusspflicht angedichtet wird.

Wieder einmal zeigt sich, dass das Verständnis des Geldsystems fundamental wichtig ist für die Tagespolitik. Es ist zu hoffen, dass die Öffentlichkeit nicht zu viel Zeit und Energie in diese unsinnige Diskussion steckt. Wie Christine Lagarde Ende 2020 sagte (Eurosystem = EZB plus nationale Zentralbanken):

"Als einziger Emittent von Euro-Zentralbankgeld wird das Eurosystem immer in der Lage sein, bei Bedarf zusätzliche Liquidität zu schaffen", sagte Lagarde auf die Frage eines italienischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

"Per Definition wird es also weder bankrott gehen, noch wird ihm das Geld ausgehen. Außerdem würden etwaige finanzielle Verluste, sollten sie eintreten, unsere Fähigkeit, Preisstabilität zu erreichen und zu erhalten, nicht beeinträchtigen."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(In meinem Buch "Geld und Kredit: Eine €-päische Perspektive" ist die Geldschöpfung der Eurozone im Detail erklärt. Es kann im Buchhandel genauso wie im Internet bestellt werden.)