Was ist ein Engpassberuf?
Der Lokführer soll als Engpassberuf eingestuft werden, berichten die Medien. Was aber ist ein Engpassberuf und wie sieht die aktuelle Lage dazu aus?
SPON berichtete jüngst:
„Derzeit werde der Beruf des »Triebfahrzeugführers Eisenbahnverkehr« von der Bundesagentur für Arbeit lediglich »unter Beobachtung«, nicht aber als »Engpassberuf« eingestuft, heißt es in einem Positionspapier, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitiert. »Diese Einstufung trifft in der Branche auf Unverständnis. Wir plädieren entsprechend für eine Überprüfung der Einstufung«, schreibt der Bahnlobbyverband darin.“
Was ist ein Engpassberuf?
Die Bundesagentur für Arbeit hat zu dem Theme eine Webseite erstellt. Es gibt auch eine jährliche Publikation. In dieser finden sich auch Anmerkungen zur Methodologie. Gleich am Anfang wird berichtet:
„Die Fachkräfteengpassanalyse der Statistik der BA gibt einen Überblick über die aktuelle Situation auf dem Fachkräftemarkt in Deutschland. Da es keine allumfassende Kennzahl zur Messung von Fachkräfteengpässen gibt, beruht die Methode der Engpassanalyse auf einer kombinierten Sicht auf sechs Engpassindikatoren. Diese bewerten die relative Verfügbarkeit von Fachkräften (Arbeitsuchenden-Stellen-Relation, berufsspezifische Arbeitslosenquote), die Besetzungsdauer gemeldeter Stellen (Vakanzzeit), die Arbeitsmarktchancen für arbeitslose Menschen (Abgangsrate in Beschäftigung), Anpassungsstrategien bei der Rekrutierung (Veränderung des Anteils ausländischer Staatsangehöriger in der Beschäftigung) und Arbeitsbedingungen (Entwicklung der mittleren Entgelte).“
Es geht also beim Engpassberuf, wie der Name ja sagt, um Engpässe bei Berufen. Wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften in einigen Berufen hoch ist, aber das Angebot an Arbeitskräften gering, dann haben wir einen Engpass. Der Begriff des Fachkräftemangels schließt sich daran an:
„Als Fachkräftemangel bezeichnet man in der Regel den Zustand einer Volkswirtschaft, in dem eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen nicht durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit bestimmten Kenntnissen und Fähigkeiten besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine ausreichende Anzahl entsprechend qualifizierter Fachkräfte zur Verfügung steht.“
„Derzeit gibt es keine Belege für einen allgemeinen Arbeitskräftemangel, das verfügbare Arbeitskräfteangebot übersteigt die Nachfrage nach Arbeitskräften in etlichen Berufen deutlich. Jedoch zeigt sich auf dem Teilarbeitsmarkt für Fachkräfte im Vergleich zu früheren Jahren eine zunehmende Verknappung, was sich in einem deutlichen Anstieg der Engpassberufe widerspiegelt.“
Dazu meldete die Bundesagentur für Arbeit im Juni 2023:
Fachkräftemangel nimmt zu: Zahl der Engpassberufe steigt auf 200
• Zahl der Engpassberufe steigt von 148 auf 200
• Mangel in jedem sechsten Fachkräfteberuf
• Die Hälfte der gemeldeten Fachkraftstellen entfiel 2022 auf Engpassberufe
• Arbeitslose suchen eher seltener nach Engpassberufen
Diese Analyse gibt uns einen Hinweis darauf, wie es sein kann, dass wir gleichzeitig Mangel an Arbeitskräften in einigen Branchen haben und dazu aber mehr als 2,5 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit plus eine stille Reserve etwa in ähnlicher Größenordnung. Für Gesellschaft und Wirtschaft ist es schlecht, wenn es viele Engpassberufe gibt und viele Arbeitslose. Es werden für einige Beruf zu wenige Arbeitskräfte ausgebildet. In der Konsequenz gibt es mehrere Lösungen, die zu einer Verbesserung der Lage beitragen könnten. Dazu zählen u.a. höhere Löhne und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, z.B. durch Einführung einer 35-Stunden-Woche, wie bei den Lokführern beschlossen. Diese Anreize sollten die Engpassberufe attraktiver machen relativ zu allen anderen Berufen. Damit das funktioniert, müssen die Gewerkschaften mächtig genug sein (und die Unternehmen aufgeklärt genug), denn sonst kommt es nicht zu einer Verbesserung der Situation für die Arbeitskräfte.
Übrigens sind die Bundesländer in Deutschland sehr unterschiedlich von Engpässen am Arbeitsmarkt betroffen. Während Bayern, NRW und der Norden (ohne Schleswig-Holstein) davon stark betroffen sind, gibt es die Probleme in Berlin, Brandenburg und Sachsen in etwas schwächerer Dimension, während der Rest des Landes (u.a. BaWü) davon nicht sehr stark betroffen ist. Gerade der Unterschied zwischen BaWü und Bayern überrascht, weil in beiden Bundesländern viel für den Export produziert wird. Ob das Ganze vielleicht etwas damit zu tun, dass die Arbeitskräfte in gesuchten Branchen die freie Wahl haben bezüglich des Arbeitsortes und dann dann die dunklen Bereiche in der Abbildung unten meiden und lieber in die hellen Bereiche ziehen? Für eine genauere Analyse bräuchte es mehr Details.
Die Engpassanalyse 2022 beschrieb die Situation wie folgt:
„Es zeigen sich Engpässe vor allem in Pflegeberufen, im Bereich der medizinischen Berufe, in Bau- und Handwerksberufen und in IT-Berufen. Aber auch Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer sowie Erzieherinnen und Erzieher werden händeringend gesucht.“
Wenn die Bundesregierung gerne angebotsseitige Probleme der Wirtschaft in Angriff nehmen möchte, dann wäre es eine gute Idee, bei den Arbeitsbeziehungen anzusetzen und dort Löhne und Arbeitsbedingungen zu erhöhen, wo Arbeitskräfte fehlen. Die Unternehmen werden wohl kurz murren, aber höhere Kosten können sie über höhere Preise weitergeben. Da alle Unternehmen von höheren Löhnen betroffen sind, müssen sie nicht fürchten, dass sich ihre Wettbewerbssituation verschlechtert.