Was sind Staatsanleihen?
Es ist eine schöne Entwicklung, dass immer mehr ökonomische Aufklärung betrieben wird, um den Bürger eine Möglichkeit zu bieten, die komplexe Welt der Geldwirtschaft verstehen zu können. Dieses Video bedarf allerdings einer Korrektur, da die Bundesregierung keine schwäbische Hausfrau ist.
Das Video des DIW beginnt mit einer in beiden Teilen falschen Aussage über unser Geldsystem:
Banken verleihen kein Geld, sondern betreiben Kreditgeldschöpfung – sie schöpfen Giralgeld in Form von Zahlungsversprechen in staatlicher Währung, dem Euro. Die Banken haben eben nicht „Geld“, welches sie verleihen. In meinem Lehrbuch „Makroökonomik“ sieht der Kredit so aus:
Der Kreditvertrag ist Basis dieser Buchungen in der Software der Bank. Sie erhöht das Konto des Unternehmens um 100.000 €. Gleichzeitig erwartet sie eine Rückzahlung des Kredits, was eine Forderung ist in gleicher Höhe. (Vom Zins wird hier aus didaktischen Gründen abgesehen.) Das Guthaben des Unternehmens war vorher nicht das Guthaben eines Sparers oder Zentralbankgeld. Es wurde von der Bank geschöpft, denn diese hat das Privileg der Kreditgeldschöpfung. Damit sie auch Zahlungen tätigen kann, bedarf es umfangreicher institutioneller Regelungen. (Diese werden in meinem Lehrbuch ausführlich erklärt.)
Das Video beginnt mit der Erklärung, wie ein Haushalt bei einer Bank einen Kredit nachfragt, weil er Geld braucht. Das aber ist die Figur der schwäbischen Hausfrau, und hat nichts mit der Frage zu tun, wie die Bundesregierung Geld ausgibt. Die Bank schaut auf die Kredithistorie der Hausfrau, schaut auf Bonität und ähnliches – bei der Bundesregierung ist das aber nicht der Fall. Sie kann auf die Deutsche Bundesbank als Hausbank des Staates zurückgreifen.
Die Bundesregierung führt im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen dessen Zahlungen aus. Dies darf sie nur, solange das Konto des BMF – das Zentralkonto (des Bundes) – am Ende des vergangenen Geschäftstages nicht negativ war. Wie sieht es also aus, wenn die Bundesregierung 100 € ausgibt? Die obige Darstellung zeigt das Resultat.
Die Bundesbank erhöht das Guthaben der Bank des Empfängers der Zahlungen. Diese werden auch als Reserven bezeichnet und erhöhen sich um 100 €. Die Bank wird gleichzeitig aufgefordert, das Guthaben des Zahlungsempfängers zu erhöhen. Dazu erhöht sie in ihrer eigenen Software dessen Kontostand um 100 €. Per Online-Banking kann dieser einsehen, dass der Kontostand gestiegen ist.
Wenn die Bundesregierung per Geldschöpfung ihre Ausgaben bezahlt, warum verkauft sie dann Staatsanleihen und leiht sich ihr eigenes Geld zurück? Der Grund dafür liegt in der Gesetzgebung der EU in Bezug auf die Eurozone. Die nationalen Zentralbanken dürfen keine direkte Staatsfinanzierung betreiben, dürfen als nicht dauerhaft Geld schöpfen für ihre nationale Regierung. Daher muss das Zentralkonto des Bundes am Ende des Tages ausgeglichen sein.
Ausgaben reduzieren den Kontostand dieses Kontos, Steuereinnahmen erhöhen ihn. Wenn aber die Steuereinnahmen nicht ausreichen, um das Konto wieder auf null zu bringen, was dann? Dann kann die Bundesregierung Staatsanleihenerlöse auf das Konto transferieren und es so wieder in den positiven Bereich bringen. Dazu verkauft sie Staatsanleihen an die Banken, die ein ganz kleines bisschen besser verzinst sind als der Einlagezins. Die Banken wollen ja Gewinne machen, also kaufen sie mit den 100 € an Reserven (siehe oben) Staatsanleihen, was das Zentralkonto wieder auf 0 € bringt.
Im Video wird auch nicht erwähnt, dass die Bundesfinanzagentur, welche als Tochter des BMF in Frankfurt am Main die Staatsanleihen verkauft, nur an Banken verkauft, nämlich die Bietergruppe Bundesemissionen. Haushalt können also keine Staatsanleihen vom Staat erwerben und „finanzieren“ ihn deshalb nicht. Zudem wird im Video behauptet, dass sich die Zinsen nach der Bonität des Staates richten, was auch nicht stimmt. Die Ratingagenturen würden eine Rolle spielen, was aber selbst in der Eurozone nicht (mehr) der Fall ist – die Verzinsung der Staatsanleihen richtet sich nach dem Einlagezins der EZB, über dem der Zins der Staatsanleihen liegen muss, um die Banken davon zu überzeugen, Staatsanleihen statt Reserven zu halten. Auch der Vergleich von Deutschland mit Argentinien hinkt gewaltig - während fast alle deutschen Staatsanleihen in Euro denominiert sind, laufen argentinische Staatsanleihen häufig in US-Dollar, welche die argentinische Zentralbank nicht herstellen kann. Während es also für Deutschland kein Ausfallrisiko gibt, ist diese für Argentinien beträchtlich. Investoren fordern daher einen höheren Zins. Ich hatte das vor einigen Monaten auf meinem Blog diskutiert.
Was für die USA gilt – die Bundesregierung kann nicht „pleite“ gehen, weil sie ihr eigenes Geld „druckt“ – gilt auch für Deutschland in der Eurozone. Während in den USA der Vorsitzende des Sachverständigenrats dies klar benennt (im Video unten gleich der erste Satz von Jared Bernstein), sind wir in Deutschland anscheinend noch nicht so weit. Das ist sehr bedauerlich, denn so wird Angst gemacht vor einem vermeintlichen Staatsbankrott und u.a. auch die Schuldenbremse gestützt durch eine falsche Theorie der Staatsfinanzierung, in der Bundesregierung und schwäbische Hausfrau gleichgesetzt werden.