„Wir verdienen weniger, wir geben weniger aus“
In ganz Europa kürzen nationale Regierungen die Ausgaben in der Erwartung, dass dann die Wirtschaft besser läuft. Die Theorie hinter dieser Politik ist fehlerhaft in ihrer Logik und auch die Historie zeigt, dass es nicht funktionieren wird. Ein Blick auf Frankreich zeigt dies exemplarisch auf.
Im Februar 2024 kündigte die französische Regierung ein Sparpaket von 10 Mrd. € an, um das fiskalische Defizit zu senken. Politico berichtete:
"Wir verdienen weniger, wir geben weniger aus", sagt Finanzminister Bruno Le Maire.
Diese Logik gilt zwar für einen Haushalt, aber nicht für eine nationale Regierung wie die von Frankreich. Warum?
Der Staat ist der Herausgeber der Währung. In der Eurozone ist es so, dass die Bundesregierung über ihre nationale Zentralbank Geld schöpft (Euros), wenn sie Ausgaben tätigt. Das ganze passiert innerhalb der Regeln der Eurozone, welche der Banque de France es erlauben, innerhalb eines Tages Geld für die Regierung zu schöpfen, sofern die gleiche Menge an Geld im späteren Verlauf des Tages vernichtet wird. Die Banque de France ist Teil des Eurosystems, welches als Monopolistin der gemeinsamen Währung auftritt. Haushalte, Unternehmen und Banken selbst können keine Euros erzeugen. (Banken erzeugen Bankguthaben in Form von Zahlungsversprechen in staatlicher Währung, keine Euros selbst.)
Die Logik gebietet als genau das Gegenteil von dem, was Finanzminister Bruno Le Maire sagt:
„Wir geben weniger aus, wir verdienen weniger.“
Eine Kürzung der Staatsausgaben reduziert die Einkommen im privaten Sektor (Haushalte und Unternehmen). Sie werden sicherlich weniger Steuern zahlen, da diese einkommensabhängig sind. Zudem fällt weniger Mehrwertsteuer an, weil weniger Einkommen auch zu weniger Konsum führt. Sogar der IWF hat letztes Jahr festgestellt, dass weniger Staatsausgaben zu mehr „Staatsschulden“ führen.
Politico berichtete weiter:
„Frankreich hat nun seine Wachstumsprognose auf 1 % nach unten korrigiert, was bedeutet, dass es weniger Steuern als erwartet einnehmen wird. Infolgedessen muss es die Ausgabenkürzungen für dieses Jahr um weitere 10 Mrd. EUR erhöhen, um sein Ziel, das Defizit auf 4,4 % des BIP zu senken, einzuhalten.“
Die Idee, dass die Wachstumsrate einer Wirtschaft nicht von der Höhe der Staatsausgaben abhängt, ist abenteuerlich. Die Wachstumsrate beschreibt Veränderungen des BIP (Bruttoinlandsproduktes), und dieses ist wie folgt definiert:
BIP = Konsumausgaben + private Investitionen + Staatsausgaben + (Exporte - Importe)
Staatsausgaben gehen also vollumfänglich in das BIP ein, ihre Reduktion muss das BIP reduzieren, alles andere gleichgesetzt.
Wenn Frankreich die Staatsausgaben kürzt und die anderen Ausgaben nicht steigen (Konsum, Investitionen, Exporte), dann wird das Wachstum sinken und auch das BIP im Vergleich zum vorherigen Pfad. Damit wird das Defizit steigen, denn das BIP sinkt, was den Nenner erhöht, und die Steuereinnahmen fallen, was das Defizit erhöht.
Der Grund, warum das dieses Mal nicht passiert, sind die Olympischen Spiele in Paris, die im Sommer einen kräftigen Wachstumsimpuls gesetzt haben. Wenn der jedoch langsam verebbt, dann wird Frankreich vor großen Problemen stehen, denn bereits jetzt ist das fiskalische Defizit so hoch, dass ein Defizitverfahren gegen Frankreich läuft.
Die Idee, dass Staatsausgabenkürzungen irgendwie gut für die Wirtschaft sein würden, ist längst überholt. Die Pandemiezeit hat gezeigt, dass ohne Defizitgrenzen Wachstum und Stabilität in der Eurozone eher erreicht werden als mit. Defizitgrenzen sind die europäische Version der Schuldenbremse, welche Deutschland zum kranken Mann der Eurozone macht. Der Druck auf diese Institutionen wird weiter zunehmen, denn es können nicht ständig Olympische Spiele als fiskalpolitisches Rettungsprogramm veranstaltet werden. Die nächsten Sommerspiele sind erst 2028 – in Los Angeles.